Alte Pfarrkirche Hl. Martin

Aus WALGAU WIKI
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Das rätische Güterverzeichnis notiert für 842: "Et in Lodasco est ecclesia cum decima de ipse villa" (... und in Ludesch eine Kirche mit dem Zehent vom selben Dorf) - [1] das ist jenes Walgaudorf in der nachmaligen Herrschaft Blumenegg, welches zusammen mit Thüringen, Bludesch und Thüringerberg 1614 dem Stift Weingarten und - mit Unterbrechungen - 1814 endgültig dem Haus Habsburg/Österreich angehören wird. In der Kirchengeschichte hat Ludesch - wie Bludesch mit der Nikolauskirche - eine lange Tradition, die wohl in ähnliche Zeiten zurückreichen mag.

Archäologisch werden wir 1995 (Innenrenovierung und Grabung) für einen Gründungsbau nach Sydow [2] auf das 8. Jahrhundert verwiesen: ein offener Apsidensaal von etwa 12,50 x 9,00 m mit einer um zwei Mauerstärken eingezogenen Apsis mit einer lichten Weite von etwa 4,60 m. Ein nachfolgender Erweiterungsbau mit Erneuerung der Westmauer auf altem Fundament ließ den keineswegs quadratischen Innenraum (9,00 x 7,40 m) um weitere 4,50 m nach Westen "wachsen", ohne in Apside und Chor zu verändern. Diese Erweiterung wird nach Sydow als "frühromanisch" bezeichnet und wäre etwa in das 10. Jhdt. ( Reichsguturbar 842 ! ) bzw. das 11. Jhdt. - etwa um 1000/1100 zu datieren. Die Angaben über die Restaurierung der St. Martinskirche [3] sind teilweise nicht zutreffend. Die heutige Form und Umfang der St. Martinskirche überdeckt um 1480/1490 die alten Fundamente einschließlich der Apsis und schafft einen wesentlich größeren Innenraum. Diese spätgotische "neue Martinskirche" misst jetzt 26,00 m in der Länge und 10,50 m in der Breite; sie besitzt einen höher eingezogenen Choranbau mit polygonale Apsis und eine angebaute Sakristei mit Pultdach. Ein zweigeschossiger Turmbau mit gemauertem Giebelspitzhelm beherbergt im Untergeschoß ein Beinhaus (Ossarium).

Bemerkenswert ist der Hochaltar von 1629 - ein gotisierender Flügelschreinaufbau mit Gesprenge; der linke Seitenaltar mit gotischem Aufbau ist bez. 1488, der rechte Seitenalter bez. 1487. Die Bänke auf der Frauenseite sind Blockbänke (ähnlich in Bludesch - dort 1615), auf der Männerseite sind Betstühle, die im Vergleich zu Bludesch wesentlich besser "ausgestattet" sind. Herausragendes Element der Innengestaltung sind die Wandgemälde (Fresken), die wohl in die Zeit um 1600 bis 1615 zu datieren sind. [4]

Über Bauarbeiten und Restaurierungen an der Kirche St. Martin wird durch mehr als zweihundert Jahre hindurch nichts berichtet - es scheint nichts "geschehen" zu sein. Um 1870 gibt es Reparaturen an Turm und Turmhelm, 1890/91 soll das Kirchendach neu gedeckt werden. Der Ludescher Pfarrer Rupert Sugg beschwert sich 1892 über den "Mauerfraß" im Kircheninneren und will aus der Kirche "kein interessantes Kunst- und Antiquen-Cabinet für Kunstliebhaber und Altertumsfreunde" machen; die "bereits unbrauchbar gewordenen Weiberstühle" sollen durch zweckdienlichere oder andere ersetzt werden und "die nicht mehr erkennbaren und schon längst völlig verrußten Seitenwandgemälde" sollten ergänzt oder aufgefrischt werden. Schließlich habe der Landesmuseumsverein die Renovierung von St. Martin selbst in die Hand zu nehmen, um "so aller Gefahr vorzubeugen, daß nicht etwa unberufene Hände in roher und unverantwortlicher Weise den zarten Zauber des Vergänglichen und Altertümlichen zerstören." [5] Die dringend erforderliche Bedachung wird erst 1912 vorgenommen, die Entfeuchtung des Chores und der Langhauswände erfolgt 1915. Um 1960 erfolgt eine Gesamtrenovierung und 1973 wird das nach einem Blitzschlag abgerissene Glockentürmchen rekonstruiert. 1994 bis 1997 erfolgte in Zusammenarbeit mit EU-Fördergeldern zur Erhaltung der europäischen Kulturdenkmäler eine umfassende Restaurierung über verschiedene Rechtsträger, Institutionen und Sponsoren, die dem Sakral- und Kunstdenkmal St. Martin in Ludesch einen guten Bestand sichern.

  1. Bündner Urkundenbuch I. Band, 390 - 1199, Chur 1955, Seite 380
  2. Sydow, Wilhelm: Kirchenarchäologie in Tirol und Vorarlberg, Horn 2001, Seite 106 und 182
  3. in: Ludesch, Gemeinde Ludesch 1996, von Roman Burtscher, Seite 77
  4. mehr unter DEHIO 1983, Seite 298 ff.
  5. Gabriele Tschallener: Kunst- und Kirchengeschichte zu St. Martin in: Ludesch, Gemeinde Ludesch 1996, Seite 73