Dossier: Flurnamen im Walgau: Unterschied zwischen den Versionen

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= Beispiel Nenzing =
= Beispiel Nenzing =
(aus der Feder von Prof. Plangg / Prof. Vogt)


Was den Boznern der ''Ritten'', ist in Nenzing ''Gamperdón(d)'', 1502 noch ''Gampretunen''. Wenn man im Südtiroler Zentrum der sommerlichen Schwüle – früher verstärkt durch die Fieberdünste der berüchtigten Etschmöser – mit der hier aufkommenden ''Sommerfrische'' auf die nahen Bergmähder und Berghöfe zu entkommen versucht hat, so kann der Ortswechsel vom Talgrund hinauf auf die Maisäße und Voralpen auch als Erinnerung an die einst weit überwiegenden bäuerlichen Lebensgrundlagen verstanden werden. In einer Zeit, als Urlaub und Freizeit noch Fremdwörter waren (also vor den Weltkriegen), hat man die einfache Lebensweise, die das Heuen auf den Hochmähdern, Maisäßen und Alpen mit sich brachte, trotz gewisser Einschränkungen als freieres Lebens verstanden und geschätzt. Davon zeugen viele Lieder und Erzählungen, Schwänke und Theaterstücke. Manch schöne Erinnerung haftet an den Namen solcher Sommerquartiere, an Bergsiedlungen bis hin zu Alpdörfern.


Die schöne Alpe ''Gamperdón'' liegt im Nenzinger Himmel, für gläubige Menschen ein vielsagender Begriff voller Hoffnung und Seligkeit. Der Alpname Gamperdon ist konkreter, da steckt lat. CAMPUS als Grundwort drin, das nicht nur ‚Feld‘, sondern auch ‚Wiese, Mahd‘ oder ‚Brache, Weide‘ bedeuten kann (Dreifelder-Wirtschaft). Das Bei- oder Bestimmungswort PRATONE ‚große Wiese‘ im Namen verweist sehr deutlich auf ein ''Mahd'', das geheut worden ist, um bei frühen Schneefällen Futter für die Tiere zu haben. Die gemeinsame Arbeit bei der Heuernte war dann auch häufig Anlass zu Geselligkeit, die man pflegte und die lange im Gedächtnis blieb.


Die Ladiner in den Dolomiten sagen ''paisc da gialzán'' für ‚Paradis‘ und meinen  damit das Alpleben, dessen Alltag recht mühselig sein kann; man schätzte aber die einfache, naturnahe und gesellige Seite als Abwechslung und Aufbruch. Die Sprache trägt dem Rechnung, denn ''gialzán'' kommt von lat. GAUDIENDO ‚erfreuend, wundervoll‘, heute nur mehr selten gehört für ‚einzigartig; sagenhaft‘. Nach einer ähnlichen Form VOLIENDO ‚wollend, begehrend‘ ist unser mda. ''gern'' gebildet, im Montafon ''geera'' ‚(be)gehrend, mögend‘, das in der Verwendung dem rätorom. ''bugén, (gu)jent'' ‚gerne, mit Vergnügen‘ genau entspricht. Ob wir die Romanen oder diese uns Alemannen nachgeahmt haben, ist manchmal kaum zu entscheiden. Rätorom. ''avair jent'' ist ‚mögen, gern haben, ''lieben''‘, also unser ''mögig'' (mit ''unmögig'' ‚zwider‘), es  bedeutet ‚liebenswert‘, wäre deutsch aber eigentlich ''mögend'' (vgl. ''läufig, trebig'' ‚trabend‘ etc. als aktives Partizip).
Der von den Rätoromanen übernommene Wortschatz (man schätzt ihn auf gut 200 Wörter) verteilt sich sehr eigenwillig auf ganz bestimmte Sachgebiete und ist weit überwiegend „eingefärbt“, entweder heimelig oder – öfter – negativ. Viele Ausdrücke kommen aus der Kinderstube wie baafa ‚trensen‘, spúdera ‚spucken‘, rüüla ‚quengeln‘, príascha ‚heftig weinen‘, wíschala und gagga  (Ausscheidungen). Wörter wie strähla, noora, tååra, sperza  oder schnägara ‚nagen‘, sürpfla ‚schlürfen‘ sind umstritten und teilweise deutsch entwickelt. Wörter wie Graggle, Transchla, Schlärgga sind als Schimpfwörter noch immer üblich, aber entsprechend negativ konnotiert.


= Weitere Beispiele =
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