Das rätische Güterverzeichnis von 842 meldet: "Est ecclesia in Nanzingas cum decima de ipse villa." (Ist die Kirche in Nenzing mit dem Zehent von diesem Dorf). [1] Nenzing besitzt also - wie fast alle Walgaudörfer - eine alte Pfarrkirche. Ulmer [2] nennt eine königliche Eigenkirche und meint auch einen Königshof vorzufinden, doch vermag er zum Alter der Kirche wenig auszusagen. Sie stamme jedenfalls noch aus der gotischen Bauzeit, wäre jedoch nur ein "templun satis decorum", also ein ausreichend gestaltetes Gotteshaus. [3] Der große Brand vom 7. Juni 1633 zerstörte Kirche und Chor mit Ausnahme des Turmunterbaues (~ 1300) und ebenso die darin gelagerten Unterlagen und Urkunden. Nach dem Brandunglück "erhob sich die Kirche alsbald wieder aus den Ruinen". [4] Die neue Kirche erhielt ein größeres Langschiff und einen höher gelegten Fußboden, wobei das unbeschädigt gebliebene Chorgewölbe erhalten blieb; die neue Kirche wurde bereits im Spätherbst 1634 zur "Wiederbenützung fertiggestellt". Die Weihe der Kirche und der drei Altäre erfolgte am 22. Jänner 1637. In der Folge wurde das Langhaus 1852 verlängert; Restaurierungen sind für 1900 und 1955 verzeichnet. 1979/80 wurde die Außenrenovierung einschließlich Kirchendach und Turm in Angriff genommen, 1981 die Innenrestaurierung mit der Bodenrenovierung im Langschiff begonnen und 1985 beendet - ohne Grabungsmöglichkeit. Diese Bodenarbeiten wurden ohne Kenntnis des BDA durchgeführt und abgeschlossen, sodass eine nachträgliche Untersuchung nicht mehr möglich war. Die nur mehr im Chor möglichen Grabungsarbeiten von 1982 - 1984 brachten dann allerdings erstaunliche Ergebnisse.

Als ältestes Segment einer ersten Anlage stand hier eine kleine Saalkirche mit direkt an den Langhausmauern ansetzender Rundapsis und flachem, segmentbogenförmigem Ostabschluß, wobei das Fundament der Ostwand und ein Abschnitt der Nordwand nachgewiesen werden konnten. Die lichte Weite des Raumes beträgt 4,70 m, die Stärke der Fundamente mit 0,50 bis 0,58 m entspricht knapp den traditionellen zwei römischen Schuh. Sydow datiert diesen Befund als "wahrscheinlich noch 5. Jahrhundert"; Sydow relativiert dann diesen frühen Ansatz mit dem Hinweis auf "die kleine Dimension, die auf eine sehr geringe Bevölkerung schließen läßt" [5] und setzt das 6. Jahrhundert als zutreffender an; damit ist die Nenzinger Kirche in ihren ersten Fundamenten das wohl älteste und auch archäologisch nachgewiesene Sakralobjekt in Vorarlberg. Sydow verzeichnet an diesem Objekt insgesamt 11 zeitlich aufeinander folgende Bauphasen, deren letzte in den Zusammenhang mit dem Wiederaufbau nach dem Brand von 1633 eingeordnet wird. [6] Dieser erste Bau muß nach dem Befund einer teilweisen Schwarzfärbung des Schuttes durch Brand zerstört worden sein, sodaß die Wiederherstellung mit einer unterhalbkreisförmigen Apsis anstelle des alten Segmentbogens um 700 anzusetzen ist. Die Entdeckung der mit einer Gneisplatte von 25 cm Stärke abgedeckten Gruft gehört in diese Zeitspanne. Insgesamt wurden fünf Gräber freigelegt, von denen die beiden ältesten in das 6. Jahrhundert gehören, die drei weiteren der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts zuzuweisen sind. Der Befund deutet darauf hin, dass die Kirche Grablege der Familie des Stifters war; der in der Gruft gefundene Ohrring spricht für eine sehr hohe Stellung der Bestatteten. Diese frühmittelalterliche Gruft wurde in der späten Romanik noch dreimal für Nachbestattungen (ohne Beigaben) verwendet. Zusammengenommen bieten all diese Betrachtungen zur Frühgeschichte der Nenzinger Pfarrkirche das Bild eines in höchstem Maß von romanischer Kultur geprägten Raumes, der in seiner Bautechnik bis in das 7. Jahrhundert hinein in deutlich römischer Tradition steht.

Die spätere Geschichte der Pfarrkirche zum Hl. Mauritius ist nur bruchstückweise nachvollziehbar. 948 ist die Schenkung der Kirche an den Abt von Ellwangen urkundlich, welcher kurz darauf Bischof von Chur wurde. Später ging sie an die Landesherren, die Grafen von Werdenberg über, welche sie um 1322 dem Johanniterorden in Feldkirch zum Geschenk machten. 1610 verkaufte der Orden den Besitz an das reichsunmittelbare Stift Weingarten; dieses verkaufte es 1695 der Stadt Feldkirch. Bereits 1696 erfolgte der Verkauf an das Stift Ottobeuren bis zum Verzicht von 1798, sodass 1800 die Gemeinde Nenzing das Patronat mit allen Rechten und Pflichten übernahm. Die Gemeinde übte ihr Patronatsrecht erstmals 1823 (nach dem Tod 1822 von Pfarrer Karl Johann Gunz), als Frühmesser Franz Josef Drexel zum Pfarrer ernannt wurde.

Die freigelegten Mauern sind unter dem heutigen Chor zu besichtigen.

  1. Bündner Urkundenbuch I. Band 390 - 1199, Chur 1955, Seite 378
  2. Ulmer, Andreas: Topographisch-historische Beschreibung des Generalvikariates Vorarlberg VI. Band I. Teil, Dornbirn 1937, Seite 278
  3. Visitationsprotokoll 9. Mai 1595, Chur A. M. 250
  4. Ulmer wie vor, Seite 279
  5. Sydow, Wilhelm: Die Ausgrabungen in der Mauritiuskirche in Nenzing, in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 1985, Bregenz 1985, Seite 93 bis 130, hier: Seite 98
  6. Sydow, Wilhelm: Kirchenarchäologie in Tirol und Vorarlberg, Horn 2001, Seite 184