Ausgangssituation im Walgau / um was geht es?

Milchland Walgau
Käselager der Sennerei Schlins
alte Heubargen

Die Landwirtschaft im Walgau hat in den letzten hundert Jahren einen starken Wandel in ihren Produkten erfahren. Wein, Tabak und Gemüse waren Produkte, für die der Walgau bekannt war. Um 1885 wurden im Walgau angebaut: Körnerfrüchte: Weizen, Spelz, Roggen, Halbfrucht, Gerste, Hafer und Mais. Hackfrüchte: Kartoffeln, Runkelrüben, Stockrüben und Kraut. Zudem Gemüse aller Art sowie Handelsgewächse (Flachs, Hanf, Cichorien) und Tabak (Summer 1977, S. 67). "Es ist ein sich selbst versorgendes Land von bäuerlichen Grundbesitzern, wo beinahe jede Familie ihr eigenes Haus, ihren Obstgarten, Felder und Vieh hat. (…) Unsere Talschaft war immer berühmt für ihre Fruchtbarkeit, das Ergebnis jahrelanger Beackerung und Düngung (…) diese Erträge von Heu, Weizen, Mais, Tabak (…) Bohnen, Hanf, Flachs, Kartoffeln, Kraut, Rote Rüben, Mohn, Kürbisse und was sonst noch nicht alles…" (aus: Norman Douglas 1982 (1923), S. 32 und 100f.)

Im Walgau (in der Abgrenzung des Regionalentwicklungsprozesses, d.h. einschließlich Feldkirch, Thüringerberg, Stallehr, Lorüns und dem Brandnertal) gibt es etwa 450 aktive Landwirte, die in den Jahren 2007 und 2008 Anträge auf Mittel aus der Europäischen Union gestellt haben. Klimaänderungen und der Strukturwandel in der Landwirtschaft haben dafür gesorgt, dass heute in erster Linie Milchwirtschaft betrieben wird. Einige Walgau- Gemeinden waren früher reine Agrargemeinden (z.B. Bludesch) und haben heute nur noch wenige Vollerwerbslandwirte, die aber mehr Vieh als früher halten und ein Mehrfaches an Milch produzieren. Aber immer noch ist die Landwirtschaft für unsere Landschaft verantwortlich (3.830 Landwirte bewirtschaften 85% der Fläche Vorarlbergs, VN vom 12.12.09)

Verarbeitungsbetriebe: Sennerei Schlins, Sennerei Schnifis, Sennerei Thüringerberg und Kleinbetriebe auf der Tschengla und in Brand (Ziegenkäse, Joghurt), Metzgereien, Mostereien (Neben dem Großbetrieb Rauch Fruchtsäfte gibt es noch kleine Mostereien, z.B. die Mosterei Schnetzer in Bludesch) Produkte, die die Landwirtschaft im Walgau darüber hinaus anbietet: Neben Milchprodukten sind dies Obsäfte, Marmeladen, Schnaps, Honig, Eier Organisation: Agrargenossenschaften wurden teilweise unter dem Druck gegründet, dass zu viel Landwirtschaftsland in Bauland umgewidmet wurde.

Hintergrund

Es gibt in Vorarlberg eine ganze Reihe von landwirtschaftlichen Markenzeichen und Label für regionale und qualitativ hochwertige Produkte: Streuobst: Der Obstbau-Zusammenschluß „Der Garten Vorarlbergs“ setzt sich für den Erhalt der traditionellen kleinräumig strukturierten Streuobstwiesen in Vorarlberg ein. Die Landwirtschaftskammer unterstützt die Nachpflanzung von Hochstamm- Obstbäumen bei Abgängen durch Feuerbrand. Im Jahr 2008 wurden 1.200 Bäume ersetzt, im Jahr 2009 waren es 600 Bäume.

Die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft und anderen Themen

Landwirtschaft und Nahversorgung: Aus Sicht der Besitzer und Betreiber kleiner Läden ist das regionale Angebot der Landwirte zu wenig bekannt, zu wenig kontinuierlich in Menge und Qualität und zu aufwändig in der Organisation. Es fehlt an Vermarktungsstrukturen, die den Bedürfnissen der Ladenbesitzer und der Landwirte entsprechen

Landwirtschaft, Naturschutz und Kulturlandschaft:

  • Projekt „Heugabel“ Frastanz seit 1996 (Freiwilliger Einsatz für die Blumenvielfalt auf Magerwiesen). Im Jahr 2009 unterstützten 180 freiwillige mit etwa 2.300 Stunden Arbeit die Heugabel- Landwirte beim Erhalt von ökologisch wertvollen Magerwiesen und Riedwiesen.
  • Projekt "Bergheimat" Nenzing (mit verschiedenen Aktionen, wie Heuaktion am Bazorahang oder Exkursion „Nenzinger Heubarga, Mähaktion für alle Alpe Gamperdona)
  • Natura 2000- Gebiet Ludescherberg (Adlerfarn“bekämpfung“)
  • Programme der Obst- und Gartenbauvereine, z.B. Tag der offenen Gartentür, lokale Aktionen (Im Jahr 2009 haben unter anderem stattgefunden: Frastanz: Besichtigung Elfenkräutergarten in Rungeletsch, Nüziders: Obstgartenbegehung, Düns/Dünserberg: Bau eines Nützlingshotels, Göfis: Mäusebekämpfungskurs, Bludesch: Kohl-Fest)
  • In Nenzing-Beschling wurde 2009 ein Bienen-und Gehölzlehrpfad eröffnet, der vom Beschlinger Agrargebäude zum „Scheibenstuhl“ führt. 20 Schautafeln unterrichten über Bienen und ihr Lebensumfeld (z.B. Gehölze und Sträucher in heimischen Wäldern).
  • Dreiklangprojekt Düns, Dünserberg und Schnifis: Schnifis - Sauerkrautkurs


Landwirtschaftliche Tradition und Kultur:

  • Das Heubargen- Projekt der Gemeinde Nenzing dreht sich um alte Heuställe, von denen es allein im Gemeindegebiet einmal 700 gab. Das Nenzinger Gemeindearchiv dokumentiert diese landschaftsprägenden Bauten und organisiert Exkursionen.
  • Das Projekt Artenne Nenzing beschäftigt sich mit der kleinbäuerlichen Vergangenheit der Region und versteht sich als Plattform für Auseinandersetzungen mit Kunst und Kultur im ländlichen Raum. Wichtig Ausstellungsprojekte waren “Strick, Badeanzug, Besamungsset. Nachruf auf die kleinbäuerliche Kultur” (2004), “Bergheimat” (2005), “Naturstimmen” (2006), “Bau-Substanz. Vom Umgang mit Tennen, Ställen, Bauernhäuser” (2006), “Gräser, Blumen, Blüten” (2007), “Vom Mangel zum Überfluss" (2008), "Sommerfrische im Himmel" (2009) und "Mensch und Kuh", Rinderhaltung (2010). Ziel ist es, das Bewusstsein für das Kulturerbe und dessen Potential für die Zukunft in der Region zu stärken.

Landwirtschaft und Gesundheit: Dieses Thema spielt im Walgau und in ganz Österreich im Vergleich zu anderen Ländern eine (noch) geringe Rolle, wie ein Österreich- weiter Überblick zeigt (Daten aus: Wiesinger u.a. 2006): Erhoben wurden landwirtschaftliche Integrationsbetriebe für Menschen mit Behinderung (meist psychischer Art) sowie gärtnerische und Haustier- unterstützte Therapieformen. Das sind in ganz Österreich

  • etwa 100 traditionelle Familien / Haushalte mit einzelnen integrierte Klienten,
  • etwa 10 Standorte von 'beschützten Arbeitsplätzen' in normalen Landwirtschaftsbetrieben,
  • etwa 10 echte Integrationsbetriebe mit Ausbildungsmöglichkeiten und dem Ziel der Wiedereingliederung,
  • sowie etwa 150 Orte, an denen im landwirtschaftlich- gärtnerischen Umfeld Beschäftigungstherapien oder Betreuungen (nursing places) angeboten werden.

Dabei spielen anthroposophisch geprägte Angebote und Dorfgemeinschaften eine wichtige Rolle. Die Haustier- unterstützten pädagogischen und therapeutischen Angebote sind bekannt, aber im landwirtschaftlichen Bereich noch nicht verbreitet. Garten- therapeutische Angebote etwa in Rehabilitationseinrichtungen, in der Geriatrie oder in Schulen und Kindergärten stoßen zunehmend auf Interesse und finden Eingang in die Ausbildung und Wissenschaft.

Was ist derzeit im Walgau in Umsetzung, projektiert oder geplant?

Obstbau: Verschiedene Initiativen zum Feuerbrand (dazu gibt es auch ein grenzüberschreitendes Projekt, das durch das EU-Programm Interreg gefördert wird), Nenzing: Projekt „Hochstämme und Streuobstwiesen“, Göfis (Obst- und Gartenbauverein): Hochstamm-Kartierung mit GIS, Göfner Obstbörse Gemüse und Kräuter: „Tag der offenen Gartentür“ in ganz Vorarlberg mit Beteilig8ng von Gartenbesitzern aus Feldkirch, Göfis und Frastanz, Fest der Generationen unter dem Oberthema ‚Kohl’ des OGV Bludesch, Jahreskreisfeste und Kräuterführungen im Elfenkräutergarten in Rungeletsch (Frastanz). Bauerngärten: Der OGV Düns bot 2009 einen Kurs zum bau eines Nützlingshotels (Unterschlupf für Wildbienen etc.) an. Schulbauernhöfe: Der Bio- Ziegenhof Meckerle in Feldkirch- Tosters bietet ein Projekt „Schule am Bauernhof“ an, bei dem Schüler und Lehrer die Landwirtschaft mit allen Sinnen erleben können. Inhaberin ist ausgebildete Fachbetreuerin für tiergestützte Pädagogik mit landwirtschaftlichen Nutztieren.


Literatur, Quellen und Dokumente

  • Gebhard Summer: Die Landwirtschaft und Viehzucht. In: Natur und Landschaft der Walgaus, Rheticus Gesellschaft Feldkirch 1977, S. 67
  • Norman Douglas: Wieder im Walgau (Together) 1982 (1923)
  • Georg Wiesinger, Fritz Neuhauser, Maria Putz: Farming for Health in Austria. In: Jan Hassink und Mejken van Dejk: Farming for Health. Springer Velag 2006, S. 233-248