Eine Suche nach Identität und Geschichtsbewusstsein: Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 181: Zeile 181:


(Lit.: Niederstätter A, F)
(Lit.: Niederstätter A, F)
= Zwischen den Fronten der Großmachtpolitik =
Im 14. und 15. Jahrhundert versuchten die Habsburger zwischen ihren Stammgebieten in der Schweiz und den Reichslehen in Ostösterreich eine territoriale Landbrücke herzustellen. Der Walgau spielte in diesem Zusammenhang als Transitland für Handel aber auch für das Militär eine wichtige Rolle. Habsburgische Erwerbungen wurden daher im späten Mittelalter Welsch-Ramschwag 1360 , die Herrschaften Bludenz-Montafon 1394, Jagdberg 1397 und Sonnenberg 1474.
Im Walgau stießen aber auch zwei Ideologien aufeinander: Von Westen kam der Einfluss der nach Freiheit und Selbstständigkeit strebenden Schweizer - Anfang des 15. Jahrhunderts Appenzeller und St. Galler. Und von Osten aus vertraten die Habsburger und süddeutsche Adelige den Feudalismus, die Adelsherrschaft und nach Möglichkeit die Verhinderung der ständisch-politischen Mitsprache von Bürgern und Bauern. Die Repräsentanten ihrer Macht waren in Vorarlberg ihre Verwalter, vor allem die Vögte.
Der Appenzellerkrieg (1405-1408), an dem sich die Ostschweizer mit Feldkirch und den Walgauern verbündeten, war ein Konflikt gegen Habsburg zum Erhalt alter lokaler Privilegien und Erlangung neuer Rechte. Er war eine gewaltsame und rebellische Auflehnung von Bürgern, Bauern aber auch einiger habsburgfeindlicher Adeliger. In diesem Zusammenhang wurden die Burgen Nüziders (1404) und 1405 Jagdberg, Blumenegg, Bürs und Ramschwag, allesamt auf Seiten der Habsburger, zerstört, ohne dass es scheinbar zu Kampfhandlungen kam. Der sogenannte aufrührerische „Bund ob dem See“ hatte vorerst gesiegt, den Adel außer Landes vertrieben. Die beteiligten Walgauer, bestehend aus freien bäuerlichen Grundbesitzern und Leibeigenen, vereinigten sich in Gerichtsgenossenschaften und gaben sich sogar ein eigenes Siegel, Ausdruck von Selbstbewusstsein und einer talumfassenden Identität. Den Walgauern zur Seite stand auch Bischof (1388) und Graf Hartmann von Werdenberg-Vaduz. Er beteiligte seine Untertanen an der Mitregierung im Rechtswesen, gestattete die Ammannwahl und baute die Burg Nüziders wieder auf. Er nannte sie Sonnenberg, und sie wurde sein bevorzugter Ansitz. Was der „Bund“ forderte, waren Volks-Rechte, wie sie erst durch die Aufklärung und die demokratischen Bestrebungen des 19. Jahrhunderts verwirklicht wurden:
Aufhebung der adeligen Standesvorrechte
Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit
Aufhebung von Frondiensten, Vorspanndienst, Todfallabgabe, Jagdfreiheit
Autonomie der Gerichte: hohe und niedere Gerichtsbarkeit
Eigene Verfassung
Freie Ammann- und Richterwahl
Zusammenschluss zersplitterter Gerichtsbezirke
Nach der militärischen Niederlage des „Bundes“ gegen den habsburgtreuen „Schwäbischen Ritterbund“ wurden die Aufständischen jedoch nicht verfolgt, sie behielten ihre Rechte, oder diese wurden gar noch vermehrt. Aber auch der geschwächte Adel und seine Verwaltung blieben an der Macht. Es war eine politische Patstellung, jedoch zugunsten der Entwicklung von mehr Rechten für Bauern und Bürger der Landstände.
(Bilgeri A, Niederstättee E)
= Das Massaker von Frastanz =
Der Römisch-Deutsche König und Kaiser Maximilian (1459-1519) versuchte im Deutschen Reich die angeschlagene Macht der Habsburger zu erneuern. Zu diesem Zweck wurde eine Reichssteuer erlassen und ein oberstes Reichsgericht geschaffen. Die Eidgenossenschaft der Schweizer, noch zum Deutschen Reich gehörig, verweigerte jedoch die Neuerungen. Daraufhin versuchte Maximilian mit aggressiven militärischen Mitteln seine Pläne in der Schweiz durchzusetzen. Seine Aktionen fanden auch im Raum Vorarlberg statt, im Rheintal und im Walgau, außerdem im benachbarten Tirol und Graubünden. Der Walgau, strategisch gelegen, wurde wiederholt zum Aufmarsch- und Durchzugsgebiet der verfeindeten Truppen. Von hier aus plante Kaiser Maximilian militärische Unternehmen nach Tirol und ins verfeindete Graubünden. Die meisten seiner Kriegszüge scheiterten jedoch mit Niederlagen.
Eine der schmählichsten und verslustreichsten Niederlagen Maximilians in diesem sogenannten „Schwabenkrieg“ war die Schlacht bei Frastanz am 20. April 1499. Während die Walgauer Milizen, diesmal auf der Seite Habsburgs, hinhaltend kämpften, flüchteten Tiroler Söldner-Knechte. Und die gut gerüstete adelige Reitere griff nicht ein und brachte sich in Sicherheit. Auch die befestigte Stadt Feldkirch hielt sich zurück. Fazit: 1500 Tote der „Kaiserlichen“ und ca. 500 der Walgauer Landwehr.
In einer Chronik hieß es: „… da theten die Walgöwer dapfferen widerstandt und hielten sich dermass, das die Eydtgnossen sagten, sy hetten in allen iren khrigen in hundert Jaren sölchen Widerstandt nie gehebt, dann da waren viel alter erbrer…man mit grauwen haren und bärten, die stunden als die stöckh und werten sich tröstlich…“
Entspricht die Anzahl der 500 Walgauer Kriegsopfer der Realität, dann waren diese im Verhältnis zur Walgauer Bevölkerung riesig: Frastanz hatte zu dieser Zeit ca. 450 und Nenzing 750 Einwohner, der gesamte Walgau mit Bludenz und dem Großen Walsertal zählte nur ca. 2.600 Einwohner. Die Hälfte der wehrfähigen Männer muss somit umgekommen sein. Die sozioökonomischen Folgen können nur erahnt werden. Dazu kam eine den Talbewohnern von den Schweizern auferlegte „Brandschatzungssteuer“ in der Höhe von 8.000 Goldgulden.
Die Kriegszüge endeten am 22. September 1499 mit dem Frieden von Basel, der den Schweizern die Loslösung aus dem Reich, die Souveränität, brachte. Die sogenannte “Erbeinigung“ von 1511 sicherte den gegenseitigen Frieden. Der Rhein im Alpenrheintal wurde für Vorarlberg fortan zur friedlichen Staatsgrenze.
Die unrühmliche Schlacht bei Frastanz lastete auch in den folgenden Jahrhunderten schwer auf dem kollektiven Bewusstsein der Tal-und Landesbewohner. Sie trug zur Entstehung von Legenden bei. Diese versuchten die Schmach der militärischen Niederlage und die Sinnlosigkeit der schrecklichen Todesopfer für eine dem Land aufgezwungene Habsburgerpolitik in Heldenmythen umzuwandeln: Da war der Frastanzer Hirtenknabe, der mit seinem Horn so lange vor den angreifenden Schweizern zu warnen versuchte, bis er vor Erschöpfung starb. Da kämpfte der standhafte und loyale Frastanzer Bertsch, der mit seinen sieben Söhnen zähen Widerstand leistend, den Heldentod starb. Und vor allem gab es den schändlichen Verräter und Spion Uli Mariß aus dem nahen Schaan. Er soll die Schweizer auf geheimen Wegen über das Älpele in den Rücken der Habsburger geführt haben, wodurch es allein zur Niederlage kam. Die untätigen adeligen Reitertruppen und kampfunwilligen Söldner traf somit keine Schuld.
(Lit.: Bilgeri A. Burmeister B. Gamon B. Niederstätter E)




2.335

Bearbeitungen