Demografie im Walgau

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Der demographische Wandel in den Regionen und Gemeinden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

… ist ein Veränderungsprozess, der langsam, komplex und irritierend ist (ein schleichender, nicht direkt wahrnehmbarer Prozess mit Auswirkungen in vielen Bereichen, wobei die Effekte zuerst einmal unklar bleiben), für den als Querschnittsthema keine Fachstelle direkt zuständig ist, wo für vieles fachliche Lösungen noch nicht gefunden sind, und wo politischer Druck von „oben“ (ein unattraktives Thema für die Politik) wie von „unten“ (Betroffene sind keine lautstarke Lobby) fehlt – kein Wunder also, dass die öffentliche Hand bisher nur zögerlich auf den demographischen Wandel reagiert (Mäding 2009).


Probleme / Herausforderungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf der lokalen und regionalen Ebene lassen sich grundsätzlich vier Problemkreise des demographischen Wandels unterscheiden:

1. Zunahme / Abnahme der Gesamtbevölkerung, insb. aufgrund der großräumigen und kleinräumigen Binnenwanderungen (zwischen einzelnen Städten / Regionen, zwischen Stadt und Land usw.). Im Walgau konnten beispielsweise die Blumenegg-Gemeinden ihre Einwohnerzahl seit 1951 beinahe Verdreifachen, während die Berggemeinden nur ein unterdurchschnittliches Wachstum verzeichnen konnten. Gerade in den letzten Jahrzehnten konnten starke Binnenwanderungsbewegungen von jungen Familien aus Bludenz und den angrenzenden Talschaften in die Blumenegggemeinden beobachtet werden. Die anderen Gemeinden profitieren nur unterdurchschnittlich von diesen Wanderungen, die zusätzlich noch mit höheren Geburtenzahlen einhergehen.

2. Alterung der Gesellschaft: Bis zum Jahr 2050 kommt es, auch im Walgau, zu einer beinahen Verdoppelung der über-60-jährigen (von ca. 8.300 auf 14.300) und zu einer Vervierfachung der Hochbetagen (über 85 Jahre). Im Gegensatz dazu nehmen die Altersgruppen der Kinder (unter 15 Jahre) und der erwerbsfähigen Bevölkerung (15-60 Jahre) sowohl prozentuell als auch in absoluten Zahlen ab. Dies hängt einerseits mit der Alterung der Baby-Boom-Generation und der zunehmend steigenden Lebenserwartung, sowie den langanhaltend niedrigen Kinderzahlen pro Frau zusammen. Damit sich eine Bevölkerung von selbst "reproduzieren" kann, wäre eine durchschnittliche Kinderzahl pro Frau von etwa 2,1 notwendig. Seit den 1990er Jahren liegt dieser Wert, primär aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen (längere Bildungswege bei Frauen und Männern, anderes Sexualverhalten und Ziele, negative Zukunftseinschätzung, etc.) bei etwa 1,5, wobei auch in Zukunft keine Veränderungen zu erwarten sind.

3. Heterogenisierung der Gesellschaft: Die wachsende Ausdifferenzierung der Gesellschaft wird einerseits durch die Zuwanderung aus dem Ausland, und andererseits durch die Abwanderung junger "Einheimischer" verstärkt. Gerade durch die Abwanderung junger Erwachsener verliert die Region wichtiges Human- und Sozialkapital. Des Weiteren ist auch die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau unter MigrantInnen höher, wenngleich diese Zahl sich zunehmend an die "einheimischen" Werte angleicht. Dennoch wird es in den nächsten Jahren zu einem zunehmenden Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund im Ausbildungsbereich und damit auch im Arbeitsmarkt kommen. Es geht also darum, die Kinder von Arbeitskräften zu den Fachkräften von morgen auszubilden. Die zunehmende Ausdifferenzierung der Lebensstile wirkt sich zusätzlich unabhängig von der Herkunft auf die wachsende Verschiedenheit der Gesellschaft aus.

4. Vereinzelung (steigender Anteil der Einpersonenhaushalte), was sich insbesondere im Bereich der Einfamilienhäuser negativ auf die kommunale Finanzkraft auswirkt. Andererseits wird es gerade für die alternde Bevölkerung zunehmend schwerer sich selbst zu versorgen, wenn die Mobilität nicht mehr eigenständig gewährleistet werden kann. Schon jetzt bestehen mehr als die Hälfte der Haushalte im Walgau (ca. 58 %) aus nur einer oder zwei Personen. Dabei handelt es sich aber nicht nur um Haushalte junger, kinderloser Erwachsener, sondern in stark zunehmendem Maße auch um kleinere Haushalte älterer Menschen. Dies hängt mit dem Auszug der Kindergeneration aus dem elterlichen Haushalt zusammen. Ein wichtiger Punkt hierbei ist es neue Wohnformen im Alter zu entwickeln und zu fördern.


„…Durchschnittswerte täuschen leicht über lokale Problemlagen hinweg. Was für die Region gilt, gilt nicht zwingend für die einzelne Stadt, was für die Stadt gilt, nicht für jedes Quartier. Jeder muss selbst und genau hingucken. Die Vielfalt der Konstellationen erschwert auch das Lernen von Vorreitern.“ (Mäding 2009: S. 34)


Es gibt starke regionale Unterschiede bzgl. der Auswirkungen des demographischen Wandels. Die Fachliteratur konzentriert sich dabei vielfach auf Abwanderungsgebiete, während im Falle der Region Vorderland-Walgau ein leichter Zuzug mit einer alternden Gesellschaft einhergeht („mehr, älter, bunter“). Folgende Herausforderungen sind beispielsweise hier zu bewältigen:

  • Differenzierte Nachfrage nach zielgruppenspezifischen und altersgerechten Produkten und Dienstleistungen (Konsum, Mobilität).
  • Anpassung sozialer Infrastrukturen (nicht nur Betreuung / Pflege, sondern auch Kultur, Vereine…).
  • Veränderte Nachfrage nach spezifischen Verwaltungsleistungen (im Standesamt, Einwohnermeldeamt, Ausländeramt usw.) und personenbezogenen Infrastrukturleistungen (vom Kindergartenplatz bis zur Einäscherung)zur Alltagsbewältigung.
  • Veränderte Nachfrage im Gesundheitssystem (auch von betrieblicher Seite).
  • Vergesellschaftung von Dienstleistungen, die bisher im häuslichen Umfeld angeboten werden.
  • Wachsende Wohnfläche pro Kopf.
  • Rückgang an Auszubildenden und jungen Arbeitskräften (z.B. Lehrlingsmangel mit starken Unterschieden zwischen verschiedenen Betriebsformen und –zweigen, Brain-Drain).
  • Notwendigkeit zur intensiveren Integration von Zugewanderten.
  • Notwendigkeit zur Neugestaltung des bürgerschaftlichen Engagements.
  • Gefahr demographischer Konkurrenzen in der Bevölkerung („Alt gegen Jung“).
  • Mangelndes ‚Problembewusstsein‘ in der Bevölkerung (z.B. hinsichtlich der eigenen Alltagsbewältigung in der Zukunft).


Steuerungsansätze für die kommunale und regionale Ebene[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„aktive“ Maßnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aktive Maßnahmen, die präventiv auf die Bevölkerungsentwicklung einwirken und vorbeugend negativen Folgen des demografischen Wandels entgegentreten oder diese zumindest abmildern sollen:

  • Attraktive Kindertagesbetreuung, die das Nebeneinander von Familie und Beruf (bzw. Aus- und Weiterbildung) erleichtert.
  • Berücksichtigung flexibler Nutzungskonzepte bei der Planung und Errichtung von Gebäuden (sowohl für Wohngebäude, die an verschiedene Lebenslagen angepasst werden können, als auch für öffentliche Gebäude, die mit einer Veränderung der Altersstruktur umgenutzt werden können).
  • Förderung innovativer Projekte des Generationen-übergreifenden Zusammenlebens, der familienfreundlichen Gemeinde, der Mobilität und der Nahversorgung (im umfassenden Sinn verstanden).
  • Zuzugshilfen (von der kurzfristigen Bereitstellung von Wohnraum über zusätzliche Integrationsangebote bis zu fördernden Mobilitäts- ‚Prämien‘ für Zuzügler).
  • ‚Demographie-Check‘ für regional bzw. kommunal bedeutsame Vorhaben und Planungen, wie Standort- und/oder Investitionsentscheidungen (Bedarfsabschätzung und regionale Arbeitsteilung).
  • Förderung des Wissenstransfers von Alt zu Jung, Alterszeit-Modelle in der Arbeitswelt.
  • Zugang zu moderner Kommunikationstechnologie verbessern (Infrastrukturen, Anwendungen, Fähigkeiten).


„passive“ Maßnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Passive Maßnahmen, die auf Entwicklungen reagieren:

  • neue Beteiligungsformen (Integrations-, Jugend-, Seniorenbeiräte…).
  • Anpassung von Leitungsnetzen an die veränderte Einwohnerzahl.
  • Präventionsangebote für Senioren.
  • Ausrichtung der Bettenzahl in Pflegeheimen an eine veränderte Nachfrage.
  • Rückbau von Stadtquartieren aufgrund von Bevölkerungswegzug.


Instrumente zum Umgang mit dem demographischen Wandel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(eine Kurzbeschreibung und Auswertung findet sich in BLE 2012)

  • Auswertung statistischer Daten,
  • www.wegweiser-kommune.de,
  • Leitfäden,
  • Nachhaltigkeitscheck ESYS,
  • Demografie-Monitoring,
  • Zukunftscheck Ortskern-Entwicklung
  • NENA Demografie-Rechner
  • Demografie-Workshops für Kommunen
  • Demografie-Konzepte,
  • Masterplan Daseinsvorsorge,
  • DemografieCheck und Coaching,
  • Change Management,
  • Demografie-Beauftragter,
  • Participatory Rapid Appraisal,
  • Bürgergutachten,
  • Bürgerhaushalt


Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgewertete Quellen:


Bauer Hartmut (2009): Demografische Herausforderungen für die Kommunen – Einführende Problemskizze – In: Hartmut Bauer/Christiane Büchner/Olaf Gründel (Hrsg.): Demografie im Wandel. Herausforderungen für die Kommunen, KWI-Schriften Nr. 2, zweite, aktualisierte Auflage, Universitätsverlag Potsdam, S. 11 – 21


Mäding Heinrich (2009): Herausforderungen und Konsequenzen des demografischen Wandels für Kommunalpolitik und -verwaltung– In: Hartmut Bauer/Christiane Büchner/Olaf Gründel (Hrsg.): Demografie im Wandel. Herausforderungen für die Kommunen, KWI-Schriften Nr. 2, zweite, aktualisierte Auflage, Universitätsverlag Potsdam, S. 33-44


BMVBS / BBSR (Hrsg.): Ländliche Räume im demografischen Wandel. BBSR-Online-Publikation 34/2009. urn:nbn:de:0093-ON3409R142. Steffen Maretzke: Vielfalt des Demografischen Wandels. Eine Herausforderungfür Stadt und Land. In: BBSR-Online-Publikation 06/2010. Hrsg.:Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn, Dezember 2010.


Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (2007): Gutachten zum demographischen Wandel im Land Brandenburg. Expertise im Auftrag des brandenburgischen Landtags.


BLE (2012): CHANCE! Demographischer Wandel vor Ort. Ideen – Konzepte – Beispiele. Herausgegeben vom Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.


Weitere Quellen:


Landesregierung Brandenburg, Demografischer Wandel in Brandenburg. Rahmenbedingungen, Konzepte, Handlungsempfehlungen, Werkstattbericht vom 24.5.2005.


BMASK (2009): Hochaltrigkeit in Österreich. Eine Bestandsaufnahme. Erarbeitet vom Büro für Sozialtechnologie und Evaluationsforschung (Josef Hörl, Franz Kolland, Gerhard Majce).


Maretzke, Steffen (2012):: Schrumpfend, alternd, bunter? Antworten auf den demographischen Wandel. In: DGD-Online-Publikation 01/2012. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Demographie e.V. (DGD), Bonn.


Fischer Tatjana (2008): Alt sein im Ländlichen Raum – eine raumwissenschaftliche Analyse. Online-Fachzeitschrift des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft


Neuschmid Julia (2009): Raumordnung im Kontext des Demographischen Wandels. Handlungsstrategien für eine zukunftsfähige räumliche Gestaltung angepasst an eine „alte Gesellschaft“. Diplomarbeit an der Univ. Wien.