Raumplanung und Beteiligung
Hier beginnt also der Leitfaden- Entwurf
Vorbemerkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Idealfall führt eine gute Beteiligungskultur und –praxis zu besseren Lösungen in der Planungs-praxis. In Vorarlberg wird dies derzeit in verschiedenen Bereichen erprobt (BürgerInnenräte des Büros für Zukunftsfragen, Wahrnehmungsspaziergänge in der Raumplanung etc.). Für die Raumplanung wurde das Thema ‚Beteiligung‘ nun intensiviert und systematisch angegangen.
Der vorliegende Leitfaden ‚Beteiligungsprozesse in der Raumplanung‘ entstand auf der Grundlage von zwei Workshops (‚Beteiligungsateliers‘), die die Abt. Raumplanung der Landesverwaltung gemeinsam mit ihren Systempartnern im Jahr 2014 durchgeführt hat. Dabei ging es um folgende Fragen:
- Wie muss ein Beteiligungsprozess gestaltet werden, der einen Mehrwert für alle Beteiligten erbringt und der die spezifischen Anforderungen raumplanerischer Fragestellungen berücksichtigt?
- Wie kann generell die Beteiligungskultur in der räumlichen Entwicklung in Vorarlberg stärker verankert werden und welche gemeinsamen Lernprozesse kann man dazu in die Wege leiten?
Verschiedene Erfahrungen und Beobachtungen der letzten Jahre gaben Anlass, das Thema aufzu-greifen:
- Intensive Planungsprozesse mit weitreichenden Folgen finden wenig Widerhall in der Bevölkerung, weil die Planungsthemen für viele zu abstrakt sind.
- Es beteiligen sich immer nur dieselben Personen, die sich in derartigen Prozessen aufgrund ihrer hohen intrinsischen Motivation engagieren.
- Darüber hinaus melden sich nur diejenigen zu Wort, die als Grundeigentümer oder Anlieger persönlich betroffen sind und die Planungen kritisieren.
- Aufgrund dessen empfinden Gemeinden den Beteiligungsprozess oft nur als ‚lästige Pflicht‘, die in den Förderkriterien vorgeschrieben ist.
Deswegen ist es notwendig, den im Raumplanungsgesetz definierten Begriff der ‚angemessenen Beteiligung‘ mit Leben zu erfüllen. Dies soll mit dem vorliegenden Leitfaden geschehen, der in Zusammenarbeit mit Entscheidungsträgern und externen BeraterInnen erarbeitet wurde.
1 Über Beteiligungsprozesse in der Raumplanung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1.1 Warum Beteiligung in der Raumplanung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach Prof. Klaus Selle, dem Referenten des ersten Beteiligungsateliers, gibt es prinzipiell zwei Gründe, warum Beteiligungsprozesse durchgeführt werden: Beteiligung wird (1) als Beitrag zur Wiederherstellung von Vertrauen und damit zur Stärkung von Demokratie angesehen und (2) helfen Beteiligungsprozesse, Konflikte vermeiden (»Wer Bürgerinnen und Bürger als ‚Risiko‘ sieht und dem von Anfang an Rechnung trägt, betreibt das intelligentere Projektmanagement«).
Für die räumliche Planung ist eine kommunikative und Beteiligungs- orientierte Prozessgestaltung jedoch noch aus weiteren Gründen unerlässlich: Die Flächen, auf die sich unsere Planungen richten, sind keine leeren Flächen. Sie sind mehr oder weniger intensiv genutzt, sind Lebens- und Wirkraum von Menschen und Institutionen, haben eine Geschichte, sind mit Rechten belegt und Gegenstand verschiedener Interessen. Daher braucht es Erkundungen bei denjenigen, die den Raum kennen und nutzen. »Das Wissen der Bürger als Experten des Alltags für ihr Lebensumfeld, ihre detaillierte Ortskenntnis, ihre Kreativität oder ihre individuellen Interessen bilden ein großes Potenzial für die zukunftsfähige Gestaltung und Entwicklung von Städten und Regionen.«
Und ein weiterer Punkt kommt dazu: Kommunikation ist wesentlich, weil die räumliche Planung ‚bösartige Probleme‘ (wicked problems) zu bearbeiten hat. Solche Probleme sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht abschließend definiert sind, keine festgelegten Lösungswege kennen und sich die Lösungen in der Regel nicht in ‚richtig‘ und ‚falsch‘ unterscheiden lassen. ‚Wicked Problems‘ benötigen die Verständigung darüber, was das genaue Problem ist, welche konkrete Aufgabenstellung daraus abgeleitet werden sollten und welche Lösungen als ‚gute‘ oder ‚schlechte‘ Lösungswege charakterisiert werden können. All dies ist Gegenstand einer Abstimmung mit verschiedenen Beteiligten und Betroffenen im Planungsprozess. Deswegen ist Kommunikation in der räumlichen Planung heute ‚state of the art‘.
1.2 Besonderheiten der Beteiligung aus Sicht der Raumplanung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bei raumplanerischen Fragestellungen geht es häufig um eine Gegenüberstellung von übergeordnetem Gemeinwohl und Einzelinteressen, denn die Raumplanung handelt in vielen Fällen mit öffentlichen Gütern.
Aber auch die Berücksichtigung von Anliegen der Bürger ist in der Raumplanung gesetzlich institutionalisiert. Nach §3 RPG soll eine Interessenabwägung stattfinden: „Bei der Raumplanung sind alle berührten Interessen (…) so gegeneinander abzuwägen, dass sie dem Gesamtwohl der Bevölkerung am besten entspricht. Die Planung ist unter möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen.“
Das spiegelt sich in der Zusammensetzung der Beteiligten wider. Es beteiligen sich an raumplanerischen Fragestellungen (a) vor allem diejenigen, die durch ein Planungsvorhaben persönlich betroffen sind (als Grundbesitzer, Anlieger, etc.), und (b) diejenigen, die sich aufgrund ihrer intrinsischen Motivation für das Gemeinwohl interessieren (die immer gleichen Verdächtigen, die in jeder Veranstaltung zu finden sind, weil sie sich gerne engagieren).
Bei der Beteiligung an räumlichen Planungsprozessen sind Besonderheiten zu beachten, die mit der Komplexität der Materie (verschiedene Blickwinkel) und dem abstrakten Thema (lange Zeithorizonte, Darstellbarkeit der Probleme) zusammenhängen.