Geschichte im Walgau: Unterschied zwischen den Versionen

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== Vor- und Frühgeschichte ==
== Vor- und Frühgeschichte ==


Zwei Namen beherrschen die Frühzeit der Besiedlung und der historischen Entwicklung Vorarlbergs: '''Räter und Römer''' - die Räter sind eben schon da und die Römer werden noch kommen. Genau dahin passt die Feststellung von Burmeister (siehe Geschichte Vorarlbergs, Seite 9 ff), wenn er da meint: „Der geographische Raum begründet nicht die Geschichte, er gibt nur den Rahmen ab, in dem der Mensch die Geschichte gestaltet .... Erst in der Steinzeit wird das Land dauernd besiedelt, in der Bronzezeit finden wir in der ur-illyrischen Urnenfelderkultur und in der ur-rätischen Melaunerkultur eine fortgeschrittene arbeitsteilige Wirtschaft verwirklicht.“  
Zwei Namen beherrschen die Frühzeit der Besiedlung und der historischen Entwicklung Vorarlbergs: '''Räter und Römer''' - die [[Räter]] sind eben schon da und die Römer werden noch kommen. Genau dahin passt die Feststellung von Burmeister (siehe Geschichte Vorarlbergs, Seite 9 ff), wenn er da meint: „Der geographische Raum begründet nicht die Geschichte, er gibt nur den Rahmen ab, in dem der Mensch die Geschichte gestaltet .... Erst in der Steinzeit wird das Land dauernd besiedelt, in der Bronzezeit finden wir in der ur-illyrischen Urnenfelderkultur und in der ur-rätischen Melaunerkultur eine fortgeschrittene arbeitsteilige Wirtschaft verwirklicht.“  


Vorgeschichtliche geologische bzw eiszeitliche Relikte im Walgau sind an sozusagen "an beiden Enden" zu entdecken: der [[Gletschertopf]] (Gletschermühle) in Göfis über dem Ostportal des Ambergtunnels und die "transalpinen Silvrettagneise" auf den Walgau-Hangterrassen, die sich in Bürserberg / Tschengla als Baumaterial für [[Steinkreise]] erweisen.  
Vorgeschichtliche geologische bzw eiszeitliche Relikte im Walgau sind an sozusagen "an beiden Enden" zu entdecken: der [[Gletschertopf]] (Gletschermühle) in Göfis über dem Ostportal des Ambergtunnels und die "transalpinen Silvrettagneise" auf den Walgau-Hangterrassen, die sich in Bürserberg / Tschengla als Baumaterial für [[Steinkreise]] erweisen.  


Die Siedlungsgeschichte in Südvorarlberg beginnt um 3000 v.Chr. mit den '''Höhensiedlungen der Jüngeren Steinzeit'''; dazu gehören die frühen Siedlungen auf den Inselbergen im Rheintal, etwa am Kummenberg/Kadel, dem Montlingerberg und dem Schellenberg. Im Montafon finden sich Reste einer mehr als 3800 Jahre alten Siedlungsstätte im [[Friagawald]] / Bartholomäberg; diese Siedlung war Teil einer großen bronzezeitlichen Burganlage. Die Steinkreise in Bürserberg/Tschengla, die eine entsprechende Wohnbevölkerung als Arbeitstruppe voraussetzen, lassen sich in dieselbe Zeitspanne datieren. Das alles bedeutet, dass mit dem auslaufenden dritten Jahrtausend v.Chr. in Südvorarlberg bereits beachtliche Größenordnungen an '''Wohnsiedlungen''' vorhanden sein mussten; das fällt also in die "Ötzi-zeit". Bedeutende archäologische Grabungen gibt es mit dem Kultplatz [[Scheibenstuhl]] / Nenzing und am Diabsschlössle / Lorüns; Grabungen am Rappenkopf / Nüziders sowie Katilsköpfle / Nüziders bringen bronzezeitliche Relikte und Artefakte zutage. Verstürztes Mauerwerk und verfallene Grabenreste künden auf Vatlära / Satteins, Hochwindenkopf / Göfis und Stadtschrofen / Feldkirch von '''verlassenen frühzeitlichen Siedlungsresten''', die ihrer Erschliessung harren. Die 1939/1941 und 1945/1947 ergrabene Heidenburg / Göfis wurde nicht vor 1100 v.Chr. errichtet; das ist jene Zeit, in welche auch der [[Montikel]] / Bludenz seinen geschichtlichen Platz findet. Im Raum Walgau - ausgenommen bei der Heidenburg - sind im zweiten Jahrtausend v.Chr. also keinerlei Bodenfunde zu verzeichnen; damit bleibt der Walgau ohne archäologischen Nachweis aus der Jungsteinzeit und dem Leben der Räter der '''Urnenfelderzeit'''.  
Die Siedlungsgeschichte in Südvorarlberg beginnt um 3000 v.Chr. mit den '''Höhensiedlungen der Jüngeren Steinzeit'''; dazu gehören die frühen Siedlungen auf den Inselbergen im Rheintal, etwa am Kummenberg/Kadel, dem Montlingerberg und dem Schellenberg. Im Montafon finden sich Reste einer mehr als 3800 Jahre alten Siedlungsstätte im [[Friagawald]] / Bartholomäberg; diese Siedlung war Teil einer großen bronzezeitlichen Burganlage. Die Steinkreise in Bürserberg/Tschengla, die eine entsprechende Wohnbevölkerung als Arbeitstruppe voraussetzen, lassen sich in dieselbe Zeitspanne datieren. Das alles bedeutet, dass mit dem auslaufenden dritten Jahrtausend v.Chr. in Südvorarlberg bereits beachtliche Größenordnungen an '''Wohnsiedlungen''' vorhanden sein mussten; das fällt also in die "Ötzi-zeit". Bedeutende archäologische Grabungen gibt es mit dem Kultplatz [[Scheibenstuhl]] / Nenzing und am Diabsschlössle / Lorüns; Grabungen am Rappenkopf / Nüziders sowie Katilsköpfle / Nüziders bringen bronzezeitliche Relikte und Artefakte zutage. Verstürztes Mauerwerk und verfallene Grabenreste künden auf Vatlära / Satteins, Hochwindenkopf / Göfis und Stadtschrofen / Feldkirch von '''verlassenen frühzeitlichen Siedlungsresten''', die ihrer Erschliessung harren. Die 1939/1941 und 1945/1947 ergrabene [[Heidenburg]] / Göfis wurde nicht vor 1100 v.Chr. errichtet; das ist jene Zeit, in welche auch der [[Montikel]] / Bludenz seinen geschichtlichen Platz findet. Im Raum Walgau - ausgenommen bei der Heidenburg - sind im zweiten Jahrtausend v.Chr. also keinerlei Bodenfunde zu verzeichnen; damit bleibt der Walgau ohne archäologischen Nachweis aus der Jungsteinzeit und dem Leben der Räter der '''[[Urnenfelderzeit]]'''.  


Walgau und Montafon waren bereits in später Steinzeit und Bronzezeit besiedelt. Auch die Steinanlagen (Steinkreise und Alignéments) auf der Tschengla sind nicht einfach „zufällig“ entstanden, sondern durch Menschenhand hineingesetzt worden. Um jedoch solch "gewichtige" Anlagen zu erstellen, bedarf es einer entsprechenden Anzahl an Bewohnern, die in angemessener Entfernung zu den Steinkreisen ihre Wohnstätten haben mussten; wo diese liegen, müssten neue Hinweise und Untersuchungen erbringen. Mottakopf / Bürserberg und Rona / Tschengla sind mögliche Standorte solcher Wohnbezirke. Die Frage, was hinter diesen beachtlichen Bauleistungen steht, ist ein ganz anderes Kapitel.
Walgau und Montafon waren bereits in später Steinzeit und Bronzezeit besiedelt. Auch die Steinanlagen - Steinkreise und [[Alignéments]] - auf der Tschengla sind nicht einfach „zufällig“ entstanden, sondern durch Menschenhand hineingesetzt worden. Um jedoch solch "gewichtige" Anlagen zu erstellen, bedarf es einer entsprechenden Anzahl an Bewohnern, die in angemessener Entfernung zu den Steinkreisen ihre Wohnstätten haben mussten; wo diese liegen, müssten neue Hinweise und Untersuchungen erbringen. Mottakopf / Bürserberg und Rona / Tschengla sind mögliche Standorte solcher Wohnbezirke. Die Frage, was hinter diesen beachtlichen Bauleistungen steht, ist ein ganz anderes Kapitel.


Mit dem Beginn der frühen Bronzezeit (etwa 2200 bis 1800 v.Chr.) gibt es erste Nachrichten von einem unbekannten Volk: die [[Räter]]. Genau genommen sind diese gar kein Volk, sondern eher die Summe mehrerer alpiner Stämme mit wirtschaftlichen wie kulturellen Kontakten. So sind die '''Räter erstmals in das Blickfeld unserer Geschichte getreten'''. Von den Römern werden sie erst kurz vor der Jahrtausendwende zur Kenntnis genommen, als sie an die Eroberung des süddeutschen Raumes denken. Das wird dann 15 v.Chr. höchst aktuell werden.  
Mit dem Beginn der frühen Bronzezeit (etwa 2200 bis 1800 v.Chr.) gibt es erste Nachrichten von einem unbekannten Volk: die [[Räter]]. Genau genommen sind diese gar kein Volk, sondern eher die Summe mehrerer alpiner Stämme mit wirtschaftlichen wie kulturellen Kontakten. So sind die '''Räter erstmals in das Blickfeld unserer Geschichte getreten'''. Von den Römern werden sie erst kurz vor der Jahrtausendwende zur Kenntnis genommen, als sie an die Eroberung des süddeutschen Raumes denken. Das wird dann 15 v.Chr. höchst aktuell werden.  


Auf einem doch recht begrenzten Kulturland zwischen Bodensee und Alpensüdrand lebte eine rätische Bevölkerung, die sich von Viehzucht, Jagd, Fischerei, Waldnutzung und etwas Ackerbau ernährte. Die trockenen und fruchtbaren Flanken des Rhein- und Illtales abseits der versumpften Mitte und die bereits erwähnten '''Terrassen- und Höhensiedlungen''' bildeten ihren eigentlichen Lebensraum. Mit dem Ende der Urnenfelderzeit werden viele dieser '''Siedlungen wieder aufgelassen''', zB auch jene auf Bartholomäberg.
Auf einem doch recht begrenzten Kulturland zwischen Bodensee und Alpensüdrand lebte eine rätische Bevölkerung, die sich von Viehzucht, Jagd, Fischerei, Waldnutzung und etwas Ackerbau ernährte. Die trockenen und fruchtbaren Flanken des Rhein- und Illtales abseits der versumpften Mitte und die bereits erwähnten '''[[Terrassen- und Höhensiedlungen]]''' bildeten ihren eigentlichen Lebensraum. Mit dem Ende der Urnenfelderzeit werden viele dieser '''Siedlungen wieder aufgelassen''', zB auch jene auf Bartholomäberg.


In diesen Siedlungsraum drängen jetzt die '''Kelten''': sie tauchen im 6. Jhdt v.Chr. am Oberlauf der Donau auf und erreichen den Rand des rätischen Zentralalpenraumes; seit 500 v.Chr. drängt die keltische Völkerwelle an die Flanken der Alpen. Sie dringt im Bereich des Rheintales auch in Südvorarlberg und den Walgau hinein. Es kommt zu Einbrüchen, zur Einwanderung von Flüchtlingen und mancher Überfremdung. Das Rätertum ließ sich zwar nicht entwurzeln, doch die Kelten gewinnen zunehmend Einfluss auf ihre südlichen Nachbarn. Bis die Römer kamen ...
In diesen Siedlungsraum drängen jetzt die '''Kelten''': sie tauchen im 6. Jhdt v.Chr. am Oberlauf der Donau auf und erreichen den Rand des rätischen Zentralalpenraumes; seit 500 v.Chr. drängt die keltische Völkerwelle an die Flanken der Alpen. Sie dringt im Bereich des Rheintales auch in Südvorarlberg und den Walgau hinein. Es kommt zu Einbrüchen, zur Einwanderung von Flüchtlingen und mancher Überfremdung. Das Rätertum ließ sich zwar nicht entwurzeln, doch die Kelten gewinnen zunehmend Einfluss auf ihre südlichen Nachbarn. Bis die Römer kamen ...
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Der Eroberung der rätischen Alpen und der Niederwerfung ihrer Stämme folgte die Einrichtung der '''römischen Verwaltung.''' Die römischen Sieger besaßen große Verwaltungserfahrung, dazu ein städtisch ausgerichtetes Rechtsleben und eine kapitalistische Wirtschaftsform mit zahlreichen Sklaven. Der wichtige Straßenbau mit Brigantium als einem geschickt ausgewähltem Knotenpunkt berührt auch den Walgau. Davon künden die nachrömischen Bezeichnungen für verschiedene '''Hangtrassenwege''' gerade in diesem Bereich.   
Der Eroberung der rätischen Alpen und der Niederwerfung ihrer Stämme folgte die Einrichtung der '''römischen Verwaltung.''' Die römischen Sieger besaßen große Verwaltungserfahrung, dazu ein städtisch ausgerichtetes Rechtsleben und eine kapitalistische Wirtschaftsform mit zahlreichen Sklaven. Der wichtige Straßenbau mit Brigantium als einem geschickt ausgewähltem Knotenpunkt berührt auch den Walgau. Davon künden die nachrömischen Bezeichnungen für verschiedene '''Hangtrassenwege''' gerade in diesem Bereich.   


Jetzt konnte das neue Leben nach römischer Art beginnen. Große '''Gutshöfe''' wurden angelegt - „villae rusticae“, die stets auf Neuland am Rand der schon bestehenden Fluren der Räter errichtet wurden. Diese Fluren wurden weitgehend von den rätischen Bauern in den alten Dörfern beherrscht, ihr genossenschaftlicher Zusammenhalt gab zunächst weiterhin Rückhalt für die Wohnbevölkerung. Die bisherigen einfachen Stammesgemeinden zerfielen in Dörfer („vici“), um deren eigene Angelegenheiten sich die herrschenden Römer nicht kümmerten; die Dörfer besaßen eine besondere Autonomie: die Dorfgenossen („vicani“) fassten gemeinsame Beschlüsse und die Dorfbeamten („curatores“) walteten in deren Auftrag.  
Jetzt konnte das neue Leben nach römischer Art beginnen. Große '''[[Gutshöfe]]''' wurden angelegt - „villae rusticae“, die stets auf Neuland am Rand der schon bestehenden Fluren der Räter errichtet wurden. Diese Fluren wurden weitgehend von den rätischen Bauern in den alten Dörfern beherrscht, ihr genossenschaftlicher Zusammenhalt gab zunächst weiterhin Rückhalt für die Wohnbevölkerung. Die bisherigen einfachen Stammesgemeinden zerfielen in Dörfer („vici“), um deren eigene Angelegenheiten sich die herrschenden Römer nicht kümmerten; die Dörfer besaßen eine besondere Autonomie: die Dorfgenossen („vicani“) fassten gemeinsame Beschlüsse und die Dorfbeamten („curatores“) walteten in deren Auftrag.  


Jetzt kommen die '''Alemannen''' in das Blickfeld der Geschichte: im Rheintal und im Walgau verlassen die Bewohner ihre offenen Siedlungen, flüchten in abgelegene Schlupfwinkel oder beziehen wieder die lange verlassenen '''Fluchtburgen''' der rätischen Zeit (dies gilt für die Heidenburg und Stellveder); die zerstörten „villae“ auf dem Lande veröden. Der Ostgotenkönig Theoderich macht all dem 493 ein Ende und begründet das Königreich der Ostgoten. Raetien ist jetzt nur mehr ein kleines Stück Weltgeschichte .... ist dennoch ein '''Teil des Ostgotenreiches''' und hat jetzt ein eigenes Statut mit großer '''Selbstverwaltung'''. Die Alemannen werden jetzt zu einem wichtigen Baustein in den Abwehrplänen gegen die fränkische Expansion; damit wird das nördliche Raetien - das Bodenseerheintal und der Walgau - endgültig '''als Siedlungsraum für die Alemannen geöffnet'''. Ihre Ausbreitung erfolgt nun nicht mehr so stürmisch, sondern eher unbemerkt. Die alemannische Sprache beginnt das Rätoromanische zu überlagern und schließlich zu verdrängen. Das '''romanische Oberland''' teilt die Geschicke Raetiens, die alte Verfassung bleibt bestehen und auch die Sprache. Es bleibt durch Jahrhunderte weiterhin '''rätoromanisch'''. Im alemannischen Unterland spielen die zahlreichen Gaufürsten eine sehr wichtige Rolle, denn jetzt entsteht das alemannische Herzogtum. Die Sprache wird - ganz im Gegensatz zum romanischen Oberland - in verhältnismäßig kurzer Zeit umgedreht.  
Jetzt kommen die '''Alemannen''' in das Blickfeld der Geschichte: im Rheintal und im Walgau verlassen die Bewohner ihre offenen Siedlungen, flüchten in abgelegene Schlupfwinkel oder beziehen wieder die lange verlassenen '''[[Fluchtburgen]]''' der rätischen Zeit (dies gilt für die Heidenburg und Stellveder); die zerstörten „villae“ auf dem Lande veröden. Der Ostgotenkönig Theoderich macht all dem 493 ein Ende und begründet das Königreich der Ostgoten. Raetien ist jetzt nur mehr ein kleines Stück Weltgeschichte .... ist dennoch ein '''Teil des Ostgotenreiches''' und hat jetzt ein eigenes Statut mit großer '''Selbstverwaltung'''. Die Alemannen werden jetzt zu einem wichtigen Baustein in den Abwehrplänen gegen die fränkische Expansion; damit wird das nördliche Raetien - das Bodenseerheintal und der Walgau - endgültig '''als Siedlungsraum für die Alemannen geöffnet'''. Ihre Ausbreitung erfolgt nun nicht mehr so stürmisch, sondern eher unbemerkt. Die alemannische Sprache beginnt das Rätoromanische zu überlagern und schließlich zu verdrängen. Das '''romanische Oberland''' teilt die Geschicke Raetiens, die alte Verfassung bleibt bestehen und auch die Sprache. Es bleibt durch Jahrhunderte weiterhin '''[[rätoromanisch]]'''. Im alemannischen Unterland spielen die zahlreichen Gaufürsten eine sehr wichtige Rolle, denn jetzt entsteht das alemannische Herzogtum. Die Sprache wird - ganz im Gegensatz zum romanischen Oberland - in verhältnismäßig kurzer Zeit umgedreht.  


Für die recht gewalttätige '''Herrschaft der Franken''' ist das Rheintal lediglich als Durchmarschgebiet wichtig, der Walgau liegt abseits. Die fränkische Herrschaft wird rund 400 Jahre dauern - doch zuerst sind die Merowinger da, dann folgen die '''Karolinger''': mit der Kaiserkrönung Karls des Großen entsteht das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“, ein zentralistischer Einheitsstaat, der sich allerdings nach dem Tod Karls des Großen auflöst. Fortdauernde Teilungen erschweren jetzt das Zusammenleben so verschiedener Stämme.  
Für die recht gewalttätige '''Herrschaft der Franken''' ist das Rheintal lediglich als Durchmarschgebiet wichtig, der Walgau liegt abseits. Die fränkische Herrschaft wird rund 400 Jahre dauern - doch zuerst sind die Merowinger da, dann folgen die '''Karolinger''': mit der Kaiserkrönung Karls des Großen entsteht das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“, ein zentralistischer Einheitsstaat, der sich allerdings nach dem Tod Karls des Großen auflöst. Fortdauernde Teilungen erschweren jetzt das Zusammenleben so verschiedener Stämme.  


Auch die '''Christianisierung''' geht getrennte Wege: In Raetien ist das Christentum von Oberitalien über Mailand recht schnell nach Norden vorgedrungen; in Zillis, Schiers und Chur finden sich Reste von Kirchenbauten aus dem 4. Jhdt. Chur hat bereits um die Mitte des 5. Jhdt. eine gut organisierte Christengemeinde; Asinio wird 451 als erster Bischof in Chur genannt. Über Mailand - Como - Chur läuft sehr rasch der Fortgang der Christianisierung: die ersten Außenposten von Chur finden sich wenige Jahrzehnte später im Walgau - zB [[Nenzing um 500]], [[Bludesch-Nikolaus Anfang 6. Jhdt.]] Das rätische Güterverzeichnis wird 842 in fast jedem Walgaudorf eine Kirche mit Zehent nennen ....  
Auch die '''Christianisierung''' geht getrennte Wege: In Raetien ist das Christentum von Oberitalien über Mailand recht schnell nach Norden vorgedrungen; in Zillis, Schiers und Chur finden sich Reste von Kirchenbauten aus dem 4. Jhdt. Chur hat bereits um die Mitte des 5. Jhdt. eine gut organisierte Christengemeinde; Asinio wird 451 als erster Bischof in Chur genannt. Über Mailand - Como - Chur läuft sehr rasch der Fortgang der Christianisierung: die ersten Außenposten von Chur finden sich wenige Jahrzehnte später im Walgau - zB [[[[Nenzing um 500]]]], [[[[Bludesch-Nikolaus 6. Jhdt.]]]] Das rätische Güterverzeichnis wird 842 in fast jedem Walgaudorf eine Kirche mit Zehent nennen ....  


'''Raetien wird ein Bischofsstaat''' und trägt jetzt die Bezeichnung „Churrätien“. Eine Reihe von Bischöfen der Familie der Viktoriden ist in der weltlichen und kirchlichen Macht integriert; es gibt ein Nebeneinander Rätiens und Alemanniens, es gibt eine geordnete Verwaltung. Das Land wird in Bezirke und diese in selbstverwaltete Gerichts- und Ortsgemeinden gegliedert. So entsteht neu der Bezirk „Drusental“ oder „Drusengau“ - das ist das „vallis drusiana“; später wird der Walgau im kirchlichen Gebrauch als das „Drusianische Kapitel“ (14. Juni 1262 nennt einen "Archidiaconus Vallis Trusiane") bezeichnet werden. So hat der Bischof in Churrätien entsprechend dem römischen Kirchenrecht das Verfügungs- und Aufsichtsrecht über Kirchen und Klöster, über Stiftungen, Armenherbergen und das ganze Kirchengut. In den alemannischen Landen herrscht dagegen von Anfang an das Eigenkirchenrecht.  
'''Raetien wird ein Bischofsstaat''' und trägt jetzt die Bezeichnung „Churrätien“. Eine Reihe von Bischöfen der Familie der Viktoriden ist in der weltlichen und kirchlichen Macht integriert; es gibt ein Nebeneinander Rätiens und Alemanniens, es gibt eine geordnete Verwaltung. Das Land wird in Bezirke und diese in selbstverwaltete Gerichts- und Ortsgemeinden gegliedert. So entsteht neu der Bezirk „Drusental“ oder „Drusengau“ - das ist das „vallis drusiana“; später wird der Walgau im kirchlichen Gebrauch als das „Drusianische Kapitel“ (14. Juni 1262 nennt einen "Archidiaconus Vallis Trusiane") bezeichnet werden. So hat der Bischof in Churrätien entsprechend dem römischen Kirchenrecht das Verfügungs- und Aufsichtsrecht über Kirchen und Klöster, über Stiftungen, Armenherbergen und das ganze Kirchengut. In den alemannischen Landen herrscht dagegen von Anfang an das Eigenkirchenrecht.  
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Das Nebeneinander zweier so gut wie selbstständiger Staaten währt nur ein Menschenalter lang - der fränkische Imperialismus unter Führung der Karolinger steht vor der Tür. Als eine Art Gegenpol zu den Klostergründungen St. Gallen und Reichenau entsteht zwischen 735 und 740 das '''Kloster Pfäfers''', welches seinerseits als rätoromanisches Kloster ein Zentrum der nationalen Kultur Rätiens wird. 806 n.Chr. führt Karl (der Große) die fränkische Grafschaftsverfassung in Rätien ein: als Graf wird Hunfrid, ein Mann aus dem Kreis der Hofaristokratie, bestellt. Nach Hunfrid gibt es „einen fränkischen Minister im Drusengau, der vor allem zu seinem persönlichen Vorteil amtierte“ (siehe Grabherr in Geschichte Vorarlbergs, Seite 31).  
Das Nebeneinander zweier so gut wie selbstständiger Staaten währt nur ein Menschenalter lang - der fränkische Imperialismus unter Führung der Karolinger steht vor der Tür. Als eine Art Gegenpol zu den Klostergründungen St. Gallen und Reichenau entsteht zwischen 735 und 740 das '''Kloster Pfäfers''', welches seinerseits als rätoromanisches Kloster ein Zentrum der nationalen Kultur Rätiens wird. 806 n.Chr. führt Karl (der Große) die fränkische Grafschaftsverfassung in Rätien ein: als Graf wird Hunfrid, ein Mann aus dem Kreis der Hofaristokratie, bestellt. Nach Hunfrid gibt es „einen fränkischen Minister im Drusengau, der vor allem zu seinem persönlichen Vorteil amtierte“ (siehe Grabherr in Geschichte Vorarlbergs, Seite 31).  


Die Einführung der '''fränkischen Grafschaftsverfassung''' bedeutet den Untergang des rätischen Staates: Graf Hunfrid konfisziert das rätische Staats- und Kirchengut. Rätien gehört wie Alemannien zum ostfränkischen Reich. Rätiens alte Verfassung wird nie mehr wieder hergestellt. Mit den Niederlagen von 841 n.Chr. verliert König Lothar Rätien und Alemannien wieder an König Ludwig den Deutschen. Ludwig will teilen - dazu braucht es eine Bestandsaufnahme der Reichsgüter: das ist die Geburtsstunde des [[Rätischen Güterverzeichnisses]] (RU) von 842. Es wird so zum Zeugnis für die großen Umwälzungen und Enteignungen; viele geistliche und weltliche Würdenträger wurden gestürzt, ihre Posten Anhängern Ludwigs übergeben. Manche Bemerkungen im rätischen Güterverzeichnis, das knapp nach diesem Umsturz aufgenommen worden ist, deuten auf verheerende Kämpfe zwischen beiden Parteien.
Die Einführung der '''fränkischen Grafschaftsverfassung''' bedeutet den Untergang des rätischen Staates: Graf Hunfrid konfisziert das rätische Staats- und Kirchengut. Rätien gehört wie Alemannien zum ostfränkischen Reich. Rätiens alte Verfassung wird nie mehr wieder hergestellt. Mit den Niederlagen von 841 n.Chr. verliert König Lothar Rätien und Alemannien wieder an König Ludwig den Deutschen. Ludwig will teilen - dazu braucht es eine Bestandsaufnahme der Reichsgüter: das ist die Geburtsstunde für das [[[[Rätische Güterverzeichnis]]]] (RU) von 842. Es wird so zum Zeugnis für die großen Umwälzungen und Enteignungen; viele geistliche und weltliche Würdenträger wurden gestürzt, ihre Posten Anhängern Ludwigs übergeben. Manche Bemerkungen im rätischen Güterverzeichnis, das knapp nach diesem Umsturz aufgenommen worden ist, deuten auf verheerende Kämpfe zwischen beiden Parteien.


Das ''"Ministerium in pago vallis Drusianae"'' bringt im Rätischen Güterverzeichnis, auch Reichsguturbar (RU) genannt, die nachstehenden Walgau-Gemeinden (villae) zur Kenntnis:  
Das ''"Ministerium in pago vallis Drusianae"'' bringt im Rätischen Güterverzeichnis, auch Reichsguturbar (RU) genannt, die nachstehenden Walgau-Gemeinden (villae) zur Kenntnis:  


Frastanz ''(Curtis Frastinas)''  
* Frastanz ''(Curtis Frastinas)''  
Beschling ''(Bassiningas)'' gehört später zu Nenzing  
* Beschling ''(Bassiningas)'' gehört später zu Nenzing  
Satteins ''(Sataginis)''  
* Satteins ''(Sataginis)''  
Nenzing ''(Nanzingas)''  
Nenzing ''(Nanzingas)''  
Schlins ''(Scliene-Scline)''  
Schlins ''(Scliene-Scline)''  
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Das sind alle Gemeinden innerhalb des Walgaues mit Ausnahme von Beschling, das zu Nenzing gehört, die auch heute bestehen. Bereits ausserhalb des Walgaues liegen Feldkirch (Feldchirichun) im Westen sowie Bludenz ''(Pludono)'' und Bürs ''(Puire)'' im Osten.  
Das sind alle Gemeinden innerhalb des Walgaues mit Ausnahme von Beschling, das zu Nenzing gehört, die auch heute bestehen. Bereits ausserhalb des Walgaues liegen Feldkirch (Feldchirichun) im Westen sowie Bludenz ''(Pludono)'' und Bürs ''(Puire)'' im Osten.  


Mit dem rätischen Güterverzeichnis von 842 beginnt die aufgezeichnete, d.i. die nachlesbare Geschichte der Walgaugemeinden. Bis dahin gibt es die Räter und Kelten, die den Walgauer Boden nicht nur betreten, sondern auch bearbeitet und bewohnt haben. Nur finden wir darüber keine Unterlagen, keine Urkunden, ebenso keine Bodenfunde und auch keine Denkmäler aus dieser Zeit. Es ist ein Glücksfall, dass es dieses erste Besitzverzeichnis - das Reichsguturbar von 842 (RU) - überhaupt gibt.  
Mit dem Rätischen Güterverzeichnis von 842 beginnt die aufgezeichnete, d.i. die nachlesbare Geschichte der Walgaugemeinden. Bis dahin gibt es die Räter und Kelten, die den Walgauer Boden nicht nur betreten, sondern auch bearbeitet und bewohnt haben. Nur finden wir darüber keine Unterlagen, keine Urkunden, ebenso keine Bodenfunde und auch keine Denkmäler aus dieser Zeit. Es ist ein Glücksfall, dass es dieses erste Besitzverzeichnis - das Reichsguturbar von 842 (RU) - überhaupt gibt.  


Aus fränkischen Beamten-Grafen werden bis zum Ende des 10. Jahrhunderts die '''Udalrichinger''' („Ulriche“), die als erbliche Landesherren ein eigenes Fürstentum aufbauen. Das Ende der Burkarde ermöglicht den seit 883 herrschenden Ulrichen den Aufstieg zu „Grafen von Rätien“. Dann beginnt mit dem Tod Rudolfs, Graf von Bregenz, das '''Geschlecht der Montforter''', die lange Zeit hindurch die Geschichte Vorarlbergs prägen sollten. Graf Hugo von Tübingen ehelicht die Tochter von Graf Rudolf und legt sich den Namen „Montfort“ zu.  
Aus fränkischen Beamten-Grafen werden bis zum Ende des 10. Jahrhunderts die '''Udalrichinger''' („Ulriche“), die als erbliche Landesherren ein eigenes Fürstentum aufbauen. Das Ende der Burkarde ermöglicht den seit 883 herrschenden Ulrichen den Aufstieg zu „Grafen von Rätien“. Dann beginnt mit dem Tod Rudolfs, Graf von Bregenz, das '''Geschlecht der Montforter''', die lange Zeit hindurch die Geschichte Vorarlbergs prägen sollten. Graf Hugo von Tübingen ehelicht die Tochter von Graf Rudolf und legt sich den Namen „Montfort“ zu.  
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