Regionalwährung im Walgau
Wie alles begann
Zum Einstieg stellen wir die häufigste Gegenfrage zum Thema „Regionalwährung“ ins Netz: Nun haben wir erst den Euro eingeführt und jetzt machen wir wieder ein regionales Geld?
Regionalwährungen gibt es schon seit 1932 (Freigeld von Wörgl), ihre Wurzeln liegen in Österreich und in der Schweiz. In den letzten Jahren haben derartige Projekte deutlich zugenommen, da die Vorteile einer überschaubaren Region im Zuge der globalisierten Wirtschaft oft vernachlässigt werden. Inzwischen gibt es einen Verband der Regiogeld-Initiativen mit eigenen Qualitätsstandards und Initiativen in den meisten europäischen Ländern.
Eine regionale Währung stärkt nicht nur die Nahversorgung und die Wertschöpfung in der Region, sondern kann eine Region auch enger zusammenbinden. Die Idee für den Walgau wurde auf einem Walgaugespräch (pdf mit der Zusammenfassung) geboren. Anlässlich der dritten Walgaukonferenz (internen Link zu „Die Regionalentwicklung im Walgau“ setzen) der Bürgermeister und gewählten Abgeordneten im Oktober 2009 wurde der Auftrag formuliert, ein Grobkonzept zu erarbeiten, wie denn eine solche Regionalwährung im Walgau funktionieren könnte. Die vierte Walgaukonferenz hat dann im April 2010 den Auftrag erteilt, ein Feinkonzept für eine eigene Regionalwährung im Walgau bis zum Herbst 2010 zu erarbeiten. Um dieses Thema vertrauter zu machen, fanden im Juni und Juli 2010 Informationsabende für Gemeindevertreter und Interessierte statt.
Die von der Regionalentwicklung im Walgau installierte Arbeitsgruppe wird vom Dornbirner Unternehmensberater Gernot Jochum-Müller betreut. Er ist Obmann des Talente-Tauschkreises Vorarlbergs und begleitet auch Regionalgeld-Initiativen in der Wälder Gemeinde Langenegg, im Klostertal und im Großen Walsertal. Langenegg hat bereits seine eigene Währung und seit kurzem auch das Große Walsertal, das Klostertal ist in Umsetzung. Wenn ein solches Projekt nämlich gelingt, hat es positive Wirkungen auf die regionale Wirtschaft und stärkt vor allem diejenigen, die heute zu kämpfen haben.
Die wichtige Mehrwert-Frage
Welchen Mehrwert (Diskussion) schafft die Regionalwährung dem einzelnen Kunden, dem Ladenbesitzer und dem Konsumenten? Wenn sich eine solche Regionalwährung rentieren soll, dann muss sie zirkulieren, denn wenn man sie zurücktauscht in Euro, verliert sie an Wert. Das zwingt jeden dazu sich zu überlegen, bei wem er dieses Regiogeld ausgeben kann und so entstehen regionale Wirtschaftskreisläufe. Ähnlich wie mit Einkaufsgutscheinen wird mit Regionalgeld versucht, möglichst viel Kaufkraft in der Region zu halten und die Kunden und Produzenten besser zusammen zu bringen.
Aber der Teufel liegt im Detail und ein Konzept für die Walgau-Gemeinden muss sehr sorgfältig geplant werden. „Wie muss man das Gurtiser Lädele im Vergleich zum Bludenzer Fachgeschäft behandeln?“ (Diskussion), das ist beispielsweise eine Frage, die intensiv diskutiert wurde. Es darf nicht sein, dass der kleine Ladenbesitzer der Letzte in der Kette ist und den Schwarzen Peter zugeschoben bekommt. Sonderkonditionen und ergänzende Aktivitäten müssen das Konzept abrunden. Und zugleich muss die Frage geklärt werden, wie der „Walgauer“ überhaupt unter das Volk gebracht wird.
Regionalwährung muss „ankommen“
Hier gibt es verschiedene Varianten, wie eine Regionalwährung unter das Volk gebracht werden kann: Abonnements (Diskussion) für Private, Fördermittel in Regionalwährung, Weihnachtsgratifikation eines Betriebes, usw. Das motiviert jeden dazu, sich zu überlegen, bei wem er dieses Regiogeld ausgeben kann, und so entstehen regionale Wirtschaftskreisläufe.
Wie könnte das Ganze im Walgau ablaufen: Die privaten Konsumenten bringen Geld in das System, indem sie „Walgauer“ als monatliches Abo bestellen und damit einkaufen. Dafür erhalten sie 3 % Rabatt. Gemeinden nutzen den “Walgauer“ für einen Teil ihrer Ausgaben (z.B. für Sitzungsgelder, Holznutzungsrechte, Frondienste) und akzeptieren ihn als Zahlungsmittel. Betriebe nehmen ihn entgegen und versuchen, ihn möglichst wieder in der Region auszugeben, um die regionale Wertschöpfung zu erhöhen und die Rücktauschgebühr zu umgehen. Nahversorger können von ihrer jeweiligen Gemeinde zusätzlich gefördert werden, die Kaufkraft bleibt zuerst in der Gemeinde, dann in der Region. Das Potential der Region wird durch einen Einkaufsführer für die ganze Region, durch Werbemaßnahmen und durch Bewusstseinsbildung in den Gemeinden sichtbar gemacht.
Eine regionale Währung für den Walgau (der „Walgauer“)
Die Regionale Freizeit- & Infrastruktur GmbH RFI wurde 2003 von den Gemeinden Bludesch, Ludesch und Sonntag gegründet, 2004 stießen Schlins und Nenzing dazu. Kooperationspartner sind die vier Gemeinden Thüringerberg, Raggal, St. Gerold und Blons. Das Ziel der RFI ist neben der Förderung der Freizeitinfrastruktur die Stärkung der gesamten Region und des Wir-Gefühls. Hauptaufgaben sind der RFI-Freizeitpass (vor allem für Familien), der Betrieb des Walgaubades in Nenzing und des Jupident -Hallenbades in Schlins sowie die Unterstützung lokaler Vereine bei regionalen Veranstaltungen. Daneben werden für die Bevölkerung weitere Dienstleistungen vorgehalten (Ticketverkauf, Schwimmkurse für Kinder, Gratis- Eislaufen für Volksschulen, Erstellung von Langlaufloipen, Deutsch-Kurse usw.). Die RFI etablierte 2003 einen regionalen Einkaufsgutschein, der 2008 durch eine 10-Euro-Münze, den „Walgauer“, abgelöst wurde. Gleichzeitig sicherte sich die RFI die Markenrechte am „Walgauer“, damit keine privaten Anspruchsrechte entstehen können. Ziel des Gutscheins „Walgauers“ ist es, die Kaufkraft in der Region zu halten, den Handel zu beleben und die gewerbliche Infrastruktur zu sichern. Derzeit wird der Gutschein bei etwa 150 Partnerbetrieben akzeptiert, vom Handels- und Gewerbegebiet über Dienstleister bis zum Gastronomie- oder Freizeitbetrieb. Mitmachen können Unternehmen im ganzen Walgau, nicht nur aus den RFI- Gemeinden. Die RFI bietet der Regionalentwicklung im Walgau an, dass sie das Projekt „Regionalwährung Walgauer“ mit dem Markennamen für eine Regionalwährung für die ganze Region unentgeltlich nutzen kann.
Wie sieht die regionale Währung aus
Die regionale Währung gibt es in Stückelungen von 1, 2, 5, 10, 20, 50 und 100 Euro und im handlichen Format, das in die Geldtasche passt. Dadurch können die Geldscheine einfach in gewerbliche Geldtaschen und Kassensysteme integriert werden. Sie entsprechen den Sicherheitsanforderungen an Bargeld (besonderes Papier, Wasserzeichen usw.). Die Geldscheine gelten als eine Form von Bargeld. Entsprechend müssen diese in der Buchhaltung berücksichtigt werden.
Wie kommt die regionale Währung im Umlauf
Verkauf über Ausgabestellen: Ausgabestellen in der Region verkaufen die „Walgauer“. Aboverkauf (siehe Diskussion): Haushalte bestellen ein monatliches Abo im Wert zwischen 50 und 300,-- Euro. Dafür erhalten sie einen Rabatt von 3%.
Der Rücktausch in Euro
Ziel ist es, die Regionalgeldscheine möglichst lange zirkulieren zu lassen. Regionale Kreisläufe sollen vermehrt entwickelt und geschlossen werden. Diese Netzwerkbildung wird gezielt gefördert, sowohl durch unterstützende Maßnahmen als auch in Form einer Rücktauschgebühr (Diskussion).
Werden Regionalgeldscheine in Euro rückgetauscht, nehmen Sie einen Abschlag von sieben Prozent in Kauf (für nicht registrierte Betriebe 10%, für Nahversorger Definition lt Landesregierungregelung 3%). Mit diesem Abschlag werden der Abo-Rabatt für den Kunden sowie die Herstellungs- und Servicekosten und auch Marketingkosten finanziert. Bleiben die Umsätze in der regionalen Währung gering, dann hält sich auch der Aufwand in Grenzen. Er nimmt erst mit steigenden Umsätzen zu. Beim Rücktausch in Euro erhält man eine Rechnung über den Abschlag, die ein Betrieb als Marketingkosten steuerlich absetzen kann. Damit ist die Buchhaltung aktuell.
Die Regionalgeldscheine können auch in Talente (Verrechnungskonto) beim Talente-Tauschkreis Vorarlberg eingetauscht werden, um an dem landesweiten talentierten Netzwerk mit über 1.500 Personen, Firmen und Vereinen teilzunehmen und darüber Waren und Dienstleistungen zu beziehen. Mehr Informationen dazu erhalten Sie unter www.talentiert.at
Die Rolle der Gemeinde
Den Gemeinden kommt als Multiplikator für die Botschaft und für die Regiogeldscheine eine sehr wesentliche Rolle zu. Wird eine Gemeinde aktiv, kann diese den Nutzen des Systems für alle deutlich erhöhen. Ausgabe durch Gemeinden (z.B. Vereinsförderung, Holznutzungsrechte, Frondienste, Sitzungsgelder), Möglichkeit zur gezielten Förderung von Betrieben durch die Gemeinde. Weihnachtsgeschenke: Mitarbeiter steuerfrei für 186 Euro im Jahr beschenken. Immer mehr Einrichtungen könnten dafür die Regionalwährung „Walgauer“ nutzen, um den regionalen Einkauf zu unterstützen.
Informationen für Betriebe und Gewerbetreibende
Die Einführung einer Regionalwährung gelingt nur dann erfolgreich, wenn Betriebe in ausreichender Zahl (darunter vor allem die Schlüsselbetriebe) die regionale Währung akzeptieren.
Ziele
Zusätzliche Umsätze im eigenen Betrieb zu generieren und Kaufkraft in der Region zu halten, indem neue Kunden gewonnen werden (Vereinsförderung),
- durch eine gezielte Förderung kleiner, für die Nahversorgung und die Gemeinde wichtiger Betriebe,
indem der Rücktausch mit einer Gebühr belegt wird, was den Anreiz erhöht, das regionale Geld bei den beteiligten Betrieben auszugeben,
- indem Betriebe aus der Region eine zusätzliche Plattform und Unterstützung für Werbung erhalten (Einkaufsführer, Bewerbung durch die beteiligten Gemeinden und lokale Gruppen),
- indem die Vernetzung der Betriebe untereinander gefördert wird (regionale Wertschöpfungsketten).
Vorteile
- Es entstehen keine Startkosten, Betriebskosten entstehen nur in dem Maß, in dem tatsächlich auch Umsätze getätigt und Einnahmen erzielt werden.
- Gewinnung neuer Kunden, Kundenbindung, Regiogeldabonnenten kommen immer wieder. Rabatte stellen einen hohen Anreiz für Kunden dar, regional einzukaufen.
- Stellt sich ein Betrieb als Ausgabestelle für die Abos zur Verfügung, so kann er zu bestimmten Zeiten mit einer gesicherten Kundenfrequenz rechnen, die er für Sonderaktionen nutzen kann.
- Die regionale Währung ist ein hervorragendes Instrument, um wirtschaftliche Kreisläufe in der Region anzukurbeln - neue Handelspartner in der Region.
- Durch die zirkulierende Regionalwährung entsteht ein Bedarf für neue Produkte und Dienstleistungen (z.B. für Vereine, die ihre Fördermittel ausgeben wollen).
- Das Bezahlen mit Regionalwährung ist ein freiwilliger Vorgang, der zwischen Kunde und Geschäft ausgehandelt werden kann (z.B. bei großen Geldbeträgen).
- Die Kosten sind als Betriebsausgabe (Werbekosten) absetzbar.
Aufwand
Die regionale Währung wird steuerlich und in der Handhabung wie Euro behandelt. Fallen entsprechend hohe Umsätze an, kann es hilfreich sein, eine Kassa dafür zu reservieren. Betriebe haben bei der Bank ein online einsehbares Depotkonto für die Regionalwährung. Durch die Rücktauschgebühr entstehen zusätzliche Betriebskosten. Anderenfalls besteht der Aufwand darin, geeignete Möglichkeit zur weiteren Verwendung der regionalen Währung zu finden.