Ziele der Vertragsraumordnung

Warum braucht es eine Vertragsraumordnung?

Zur Beantwortung dieser Frage muss man ein paar Jahrzehnte zurückgehen. Als die Raumordnung in Vorarlberg neu eingeführt wurde, haben alle Gemeinden überlegt, welche Flächen sie in den nächsten Jahrzehnten für ihre Siedlungsentwicklung benötigen. Diese Flächen haben sie dann als Bauland gewidmet. Heute haben die Vorarlberger Gemeinden große Baulandreserven – sie sind für die Grundbesitzer eine Sparkasse, eine Altersvorsorge, ein Erbe für die Kinder und Enkel usw. Dem Grundstücksmarkt stehen sie nicht zur Verfügung. So kommt es, dass jede Vorarlberger Gemeinde im Durchschnitt etwa ein Drittel unbebaute, aber als Bauland gewidmete Flächen hat, die nicht genutzt werden.


Gleichzeitig ist Vorarlberg dank seiner wirtschaftlichen Entwicklung ein Zuzugsgebiet. Die Walgau-Gemeinden beispielsweise verzeichnen seit 50 Jahren eine kontinuierliche Zunahme ihrer Bevölkerung, denn die großen und kleinen Unternehmen brauchen Arbeitskräfte. All diese Menschen wollen irgendwo wohnen, und wenn sie schon eine Weile da sind, vielleicht auch ein Haus bauen. Das hat zur Folge, dass der Druck auf die Siedlungsränder steigt und immer mehr Flächen als Bauland gewidmet werden sollen. Trotz der großen unbebauten Flächenreserven besteht die Gefahr, dass sich die Gemeinden ausdehnen und vor allem im Talbereich mehr und mehr zu einem Siedlungsband zusammenwachsen. Im Rheintal kann man dies an einigen Stellen gut beobachten. Und jede neu als Bauland gewidmete Fläche, die nicht bebaut wird, verschärft die Situation.


Zwar durfte bisher schon nach dem Raumordnungsgesetz nur dann eine Fläche als Bauland gewidmet werden, wenn sie auch tatsächlich bebaut werden sollte. Es gab für die Gemeinde, die die Widmung vorgenommen hat, jedoch kein Instrument, das auch sicher zu stellen. Und weil Bauland eine sichere Wertanlage und ein schönes Erbe ist, gibt es bis heute immer wieder den Fall, dass Flächen ‚auf Vorrat‘ gewidmet werden. Deswegen hat das Land Vorarlberg vor wenigen Jahren das Instrument der Vertragsraumordnung in das Raumordnungsgesetz aufgenommen, damit die Gemeinden diese Entwicklung besser steuern können.


Was will die Vertragsraumordnung an dieser Entwicklung ändern?

Die Vertragsraumordnung soll dafür sorgen, dass zukünftig keine Flächen mehr ‚auf Reserve‘ gewidmet werden. Es ist ein Instrument, mit dem sichergestellt werden kann, dass der Zweck, zu dem eine Fläche gewidmet wird, auch erfüllt wird. Dazu wird ein privatrechtlicher Vertrag zwischen Grundbesitzer und Gemeinde geschlossen. In diesem Vertrag verpflichtet sich der Grundbesitzer bzw. Antragsteller, die Fläche in einer festgelegten Frist in einer vereinbarten Form zu nutzen. Andernfalls drohen Sanktionen, die vertraglich festgelegt werden. Der Vertrag wird vor einer Umwidmung der Fläche in eine Baufläche abgeschlossen. Die Details werden in den folgenden Kapiteln erklärt.


Was soll in so einem Vertrag denn überhaupt geregelt werden?

Die Grundfläche soll innerhalb einer vereinbarten Frist, z.B. binnen 5 Jahren, einer widmungskonformen Verwendung zugeführt werden, andernfalls greifen vereinbarte Sanktionen.

Die vertragliche Pflicht besteht auch für einen etwaigen Rechtsnachfolger (Grundstückskäufer). Wenn also der Wunsch besteht, ein Grundstück zu widmen, um es als Baugrund zu verkaufen, weil man den Erlös für andere Zwecke benötigt, sollte man den potentiellen Käufer am besten gleich mit in den Vertrag aufnehmen.

Wenn das Grundstück vereinbarungsgemäß seiner Verwendung zugeführt wurde, verliert der Raumplanungsvertrag seine Gültigkeit, die Gemeinde gibt eine diesbezügliche Verzichtserklärung ab.


Und warum löst dies das Problem des knappen und teuren Baugrunds?

Das Ziel der Walgau-Gemeinden ist es, bauwilligen Bürgern seriös zu helfen. Die Vertragsraumordnung funktioniert nur im Zusammenspiel mit dem Räumlichen Entwicklungskonzept REK. Darin werden die Grenzen der Siedlungsfläche auch in einem mittel- und langfristigen Zeithorizont ausgewiesen. So entsteht für die Bürgerinnen und Bürger Planungssicherheit, welche Flächen zukünftig bebaut werden können und welche von einer Bebauung freigehalten werden sollen. Damit kann jeder Grundbesitzer mit einem Widmungsantrag warten, bis er tatsächlich ein konkretes Bauprojekt in Angriff nehmen will. Wenn aber nur noch die Flächen gewidmet werden, die tatsächlich in kurzer Zeit bebaut werden, dann wird damit die Spekulation mit Grund und Boden verhindert. Und das wirkt sich positiv auf den Baulandpreis aus. Das Problem der knappen Flächen ist damit zwar nicht gelöst, aber wenigstens ein ‚Preistreiber‘ kann verhindert werden.

Zusätzlich will die Regio Im Walgau innerhalb der festgelegten Siedlungsgrenzen Bauland für Wohnen, Betriebsansiedlungen und Versorgungsstrukturen mobilisieren. Die Vertragsraumordnung ist also Teil einer Gesamtstrategie, die im Räumlichen Entwicklungskonzept Walgau dargelegt ist.


Welche Rolle spielt die Regio Im Walgau bei derartigen Überlegungen?

  • Warum ist das ein regionales Thema?
  • Warum sprechen sich die Gemeinden dabei ab?
  • Man muss es doch schlussendlich jeder Gemeinde selbst überlassen, wie sie diesen Prozess steuert.

Das Thema ‚Vertragsraumordnung‘ ist politisch brisant, denn die VRO greift in das private Vermögen ein, um ein übergeordnetes Ziel (die geordnete Siedlungstätigkeit) zu erreichen. Es ist abzusehen, dass betroffene Grundbesitzer Druck auf die Gemeinde ausüben, weil sie mit ihrem Grund und Boden nicht mehr frei verfahren können, wie sie wollen. Das wäre zwar nach den Buchstaben des Gesetzes auch früher schon nicht möglich gewesen, denn eine Widmung als Baugrund dürfte eigentlich nur für ein konkretes Bauvorhaben erfolgen, aber es hat sich in der Praxis anders eingespielt, und jeder durfte mit seinen Flächen im Siedlungsbereich mehr oder weniger tun und lassen, was er wollte.

Wenn die Vertragsraumordnung zur Anwendung kommt, werden in den Gemeinden hitzige Diskussionen geführt. Über die Regio Im Walgau wollen die Gemeinden erreichen, dass es im Walgau ein einheitliches Vorgehen gibt. Der regionale Zusammenhalt ist wichtig, denn sonst werden Gemeinden gegeneinander ausgespielt. Damit können Diskussionen darüber, was in welcher Gemeinde erlaubt oder verboten ist, verhindert werden, denn die machen der Gemeindepolitik und–verwaltung die Argumentation unnötig schwer. Den GemeindepolitkerInnen wird der Rücken gestärkt, und wenn es der erste Grundeigentümer darauf anlegt, gegen das Optionsrecht zu klagen, wenn dessen Ausübung droht, dann braucht es Einigkeit zwischen Bürgermeister, Gemeindevertretern und Regio.


Auf was bezieht sich die Vertragsraumordnung?

Jede Fläche im Siedlungsbereich, die nicht im Bebauungsplan oder in der Baugrundlagenbestimmung bereits festgelegt ist, kann bezüglich ihrer Nutzung durch einen Raumordnungsvertrag geregelt werden. Es geht also nur um neu zu widmende Flächen. Ein Instrument, das die bisher schon gewidmeten aber nicht als Bauland genutzten Flächen mobilisiert, fehlt noch in der Vorarlberger Gesetzgebung.


Ab wann kann man das Instrument einsetzen?

Ab sofort, wenn die entsprechenden Planungsziele im Räumlichen Entwicklungskonzept von den Gemeindevertretungen verabschiedet wurden.



Wirkungen auf Bauwillige und Grundbesitzer

Welche Sanktionen sind denn vorgesehen, wenn ...

  • ... ich als Grundbesitzer die Vertragsbedingungen nicht erfülle?

Dann erhält die Gemeinde ein Optionsrecht auf das Grundstück. Dabei handelt es sich um eine zeitlich unbefristete Kaufoption, die an Dritte weitergegeben werden kann, d.h. die Gemeinde kauft das Grundstück in der Regel nicht selbst, sondern sucht einen bauwilligen Käufer. Der Grundeigentümer wird für die gewidmete Fläche zum zu diesem Zeitpunkt gültigen Verkehrswert entschädigt und erleidet damit keine finanziellen Nachteile.


Das ist doch eine schleichende Enteignung!

  • In 5 Jahren kann so viel passieren – so einen Vertrag würde ich niemals abschließen!

Dem Wert nach ist das keine Enteignung. Durch die Widmung ist es ja zu einer beträchtlichen Wertsteigerung des Grundstücks gekommen. Der Grundbesitzer wird zum Verkehrswert entschädigt und behält diesen Wertzuwachs. Und das Bauland steht jemandem zur Verfügung, der wirklich bauen will. Auch dadurch wird Bauland für diejenigen aktiviert, die dringend danach suchen.


Aber der Verkehrswert ist ja nicht das gleiche wie der Marktwert.

  • Da verliere ich ja effektiv Geld!

Das lässt sich umgehen, wenn der Grundbesitzer selbst einen Käufer sucht und findet, von dem er den Marktpreis verlangen kann. Bei der Knappheit an bebaubarem Land sollte das kein Problem sein. Der Käufer tritt in den bestehenden Raumplanungsvertrag ein und übernimmt die Pflichten daraus.


Und was ist, wenn mir in den 5 Jahren etwas zustößt ...

  • ... was ich vorher nicht absehen konnte?

Bei einem privaten Vertrag müssen sich beide Vertragspartner einigen. Ein solcher Vertrag kann auch wieder aufgelöst oder geändert werden, wenn sich die beiden Vertragsparteien darauf einigen. Es ist kaum vorstellbar, dass eine Gemeinde in einem Notfall nicht zu Verhandlungen bereit sein sollte. Die Entscheidung obliegt dabei der Gemeindevertretung.


Ist es denn möglich, die Bauland-Widmung an einen Raumordnungsvertrag zu knüpfen?

Nein, das ist nicht möglich. Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger müssen die Gemeinden darauf achtgeben, dass sie mit einem Antragsteller auf Augenhöhe verhandeln, wenn sie einen Vertrag mit ihm schließen wollen. Das bedeutet, dass ein hoheitlicher Akt (die Flächenwidmung) nicht mit einer privatrechtlichen Vereinbarung verknüpft werden darf, denn sonst könnte der hoheitliche Akt ja als Druckmittel benutzt werden, um einen Vertrag zu erzwingen.

Auch für den Grundstücksbesitzer leitet sich aus dem Vertrag auch kein Rechtsanspruch auf eine Widmung ab. Diese Punkte müssen zwischen Grundeigentümer und Gemeinde vorab besprochen werden. In einer Gemeindevertretungssitzung müssen der Raumordnungsvertrag und die Widmung des Grundstücks zwei getrennte Tagesordnungspunkte sein, sonst ist es eine unzulässige Vermischung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Tatbestände.


Warum muss ich dann überhaupt einen Vertrag abschließen?

  • Dann kann ich doch gleich meinen Antrag auf Umwidmung stellen.

Natürlich kann nach wie vor jeder Grundeigentümer einen solchen Antrag stellen. Die Gemeinde bearbeitet dann den Umwidmungsantrag, es wird das ganz normale Verfahren durchgeführt. In jedem Verfahren zur Umwidmung muss geprüft werden, ob die Ziele der Raumordnung (RPG § 2) erfüllt sind. Wenn dies der Fall ist, muss dem Umwidmungsantrag stattgegeben werden.

Zu den Zielen der Raumordnung gehören die Ziele im Raumplanungsgesetz des Landes, beispielsweise der haushälterische Umgang mit Grund und Boden und die Einhaltung der Siedlungsgrenzen. Auch die im Räumlichen Entwicklungskonzept REK Walgau formulierten Grundsätze und Ziele müssen beachtet werden. Steht ein Umwidmungsantrag im Widerspruch zu diesen Zielen oder ist er für die Gemeinde mit Kosten verbunden (z.B. Erschließungskosten) oder sind Wegerechte zu bedenken, etc., dann kann die Gemeinde den Antrag ablehnen. Für derartige Fälle ist es also sinnvoll, vorab mit der Gemeinde zu verhandeln und einen Vertrag abzuschließen, mit dem die Bedenken der Gemeinde ausgeräumt werden können.

Damit gibt es aber immer noch keinen zwingenden Zusammenhang zwischen dem privaten Vertrag und dem hoheitlichen Akt der Umwidmung. Aber für die Gemeinde liegen mit einem solchen Vertrag zusätzliche Rahmenbedingungen vor, die sie beachten muss, wenn sie einen Umwidmungsantrag bearbeitet.

Nur durch dieses Vorgehen ist gewährleistet, dass die Verträge zwischen Gemeinde und Grundbesitzer auf Augenhöhe geschlossen werden und nicht die Gemeinde eine Machtposition ausnützt.


Was passiert, wenn der Bau aus irgendwelchen Gründen nach fünf Jahren noch nicht fertiggestellt ist...

  • ... und die Bauabnahme erst nach fünfeinhalb Jahren erfolgt? Gibt es eine Verlängerungsmöglichkeit?

Grundsätzlich wollen die Gemeinden mit der Vertragsraumordnung erreichen, dass gebaut wird. Sie wollen ja ein attraktiver Wohn- und Lebensraum sein und ihren Bürgern das Bauen ermöglichen. Und da es sich um einen privaten Vertrag handelt, können ihn die Beteiligten jederzeit ändern und aus einem triftigen Grund die Frist verlängern. Das gilt für alle Härtefälle. Aber es kann natürlich auch sein, dass ein Grundbesitzer sein Spielchen mit der Gemeinde treibt – solche Fälle gibt es. Daher muss das im Einzelfall betrachtet werden. Aber wenn man die VRO eingeführt hat, sollte man aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch alle gleich behandeln, d.h. es müssen triftige, nachvollziehbare Gründe vorliegen, wenn anders gehandelt wird. Aber im überschaubaren Walgau kennt ja die Gemeinde in der Regel ihre Leute und weiß, wer spekuliert.


Was passiert im Todesfall?

Die Verpflichtung geht auf Erben über.


Was passiert, wenn die Gemeinde ihr Optionsrecht nicht in Anspruch nimmt?

Das kann vorkommen, wenn die Gemeinde beispielsweise keinen Käufer findet, der den Verkehrswert an den Grundbesitzer zahlen will, oder wenn sie aus anderen Gründen darauf verzichtet. Nach zwei Jahren verfällt das Optionsrecht und der Grundeigentümer ist dann im Besitz einer gewidmeten, aber nicht bebauten Fläche. Das ist aber eher unwahrscheinlich, da politisch nicht gewünscht.


Ist eine Variante vorstellbar, bei welcher der Besitzer freiwillig entschädigungsfrei zurückwidmet ...

  • ... damit ihm sein Grundbesitz nicht verloren geht?

Nein, eine vertraglich festgelegte Rückwidmung wäre eine verfassungsrechtlich unzulässige Verknüpfung von Privatrecht und öffentlichem Recht. Und eine befristete Widmung ist – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – in Vorarlberg nicht zulässig. Außerdem würde das dem Zweck widersprechen, Bauland zu aktivieren und nur dann Bauland zu widmen, wenn es auch wirklich zum Bauen benötigt wird. Der Grundbesitzer soll erst dann eine Widmung beantragen, wenn er auch wirklich bauen will.


Wenn ich einerseits Bauland und andererseits Freifläche besitze ...

  • ... kann ich trotzdem im konkreten Bauvorhaben das Freiland umwidmen, anstatt das eigene gewidmete Land zu bebauen?

Das ist letztlich eine Ermessensfrage, wie die Vertragsraumordnung angewendet wird. Vom Ziel her betrachtet dürfte in solchen Fällen kein Grund neu gewidmet werden, denn die Absicht ist ja, möglichst viel Bauland zu mobilisieren. Also soll das bereits gewidmete Land zuerst bebaut werden. Um so etwas durchsetzen zu können, sollten sich die 14 Gemeinden auf eine einheitliche Anwendung einigen.


Aber wenn ich einerseits einen Vertrag eingehe, in dem ich mich zu etwas verpflichte, ...

  • ... und andererseits dann die Umwidmung doch nicht erfolgt, dann bin ich doch angeschmiert.

Das muss natürlich in der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden, beispielsweise durch eine Festlegung, dass der Vertrag nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Gemeinde auch tatsächlich widmet. Auch eine Klausel, nach der im Falle der Ablehnung des Widmungsantrags die anfallenden Kosten von der Gemeinde zu tragen sind, ist möglich. Der Vorteil eines privatrechtlichen Vertrags besteht ja darin, dass seine Inhalte zwischen den beiden Vertragsparteien frei ausgehandelt werden können, solange sie nicht sittenwidrig sind.


Wenn ich einen Baugrund für meine Kinder kaufen will, dann geht das ja jetzt gar nicht mehr!

Nein, denn es soll keine Vorratswidmung mehr geben. Es weiß ja niemand, ob seine Kinder später tatsächlich noch am Ort leben und hier bauen wollen und dann steht wieder ein Grundstück leer. Eine Fläche soll nur dann gewidmet werden, wenn sichergestellt ist, dass sie auch zum Bauen genutzt wird.


Kann ich sicher sein, dass ich meine Fläche später einmal als Bauland widmen darf?

Es gibt eine relativ große Sicherheit. Das Räumliche Entwicklungskonzept REK zeigt, wo kurzfristig oder mittelfristig gebaut werden darf. Es zieht die Grenzen des Siedlungsrands nach außen eng. Deswegen kann man auch relativ sicher sein, dass innerhalb dieser Siedlungsgrenzen zukünftige Gemeindevertretungen nicht weniger, sondern eher mehr Bauland ausweisen werden. Eine 100%ige Sicherheit gibt es allerdings nicht, denn man kann die Entscheidungen zukünftiger Gemeindevertretungen nicht vorwegnehmen. Es sind auch Entwicklungen vorstellbar, dass z.B. nicht mehr so viele Menschen zuziehen und Abwanderung zu mehr Leerstand führt. Immer wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, müssen auch die Ziele der Raumentwicklung angepasst werden. Dann kann es aber auch gut sein, dass der persönliche Bedarf ein ganz anderer ist.


Da muss ich ja bei meinem eigenen Grund und Boden betteln, was ich damit machen darf.

  • Es kann doch nicht sein, dass plötzlich die Gemeinde bestimmt, wer wo was baut!

Macht sie ja auch nicht! Sie bestimmt nur im Falle einer Widmung, dass dann auch gebaut werden muss. Das steht übrigens auch im Raumplanungsgesetz: gewidmet werden darf nur, wenn dazu ein Anlass besteht, d.h. wenn das Land baulich genutzt werden soll. Nur bisher konnte man das nicht kontrollieren und einfordern und nun gibt es ein Instrument dazu. Natürlich verhindert man damit, dass jemand Bauland als Wertanlage nutzt und damit spekuliert. Das ist ja auch der Zweck der Regelung. Hier geht das Gemeinwohl über das Privatinteresse.



Wirkungen auf Siedlungsentwicklung und die Bodenpreise

Kann es nicht sein, dass durch die VRO der Baulandmarkt ganz zum Erliegen kommt?

Nein, denn zum einen kann man immer noch Bauflächen widmen lassen und verkaufen, und zum anderen gibt es immer noch die bereits gewidmeten Flächen, die von der Vertragsraumordnung überhaupt nicht betroffen sind. Die Vertragsraumordnung betrifft einzig und allein die Flächen, die zwar als Bauland gewidmet werden, aber nicht zum Bauen zur Verfügung stehen.

Es gibt inzwischen auch im Walgau zahlreiche Fälle, in denen Menschen Bauland als Wertanlage kaufen wollen, denn die Rendite ist hoch. Die als Geldanlage genutzten Flächen erhöhen die Bodenpreise. In anderen Bundesländern Österreichs wird die Vertragsraumordnung schon länger angewendet. Hier zeigen die Erfahrungen, dass dadurch die Preisentwicklung für Bauland gebremst und teilweise sogar umgekehrt werden konnte, und dass die Flächenverfügbarkeit steigt.


Aber wie wird denn mit der Vertragsraumordnung Bauland aktiviert?

  • Die gewidmeten Flächen werden ja im Gegenteil noch begrenzt.

Die Aktivierung erfolgt auf zweierlei Weise: Zum einen gibt es öfters den Fall, dass jemand Bauland verkaufen will, weil er Geld benötigt – beispielsweise weil seine Kinder an einem andern Ort wohnen und dort Bauland kaufen wollen. Das geht immer noch, nur muss er sein Land an jemanden verkaufen, der die Bauverpflichtung mit übernimmt. Und als zweites kommt wie gesagt dazu, dass durch diese Maßnahme die Spekulation mit Land verhindert wird.

Wenn wir das Instrument konsequent zum Einsatz bringen, bekommen wir zumindest eine andere Kultur. Eine Umwidmung beantragt nur noch derjenige, der ein konkretes Bauprojekt hat, der sich Gedanken über die Finanzierung und Nutzung und den Zeitplan gemacht hat. Und mancher Antragsteller wird von vornherein auf einen Umwidmungsantrag verzichten, weil er eigentlich den Grund im Moment gar nicht nutzen kann oder will. Wichtig ist, dass wir den Bürgern zeigen: „Wir verhindern nichts, im Gegenteil, wir wollen, dass Du was tust. Wer bauen will, wird von uns nach Kräften gefördert“.


Braucht es dann überhaupt noch Bauerwartungsflächen?

Nein, mit dem Räumlichen Entwicklungskonzept wird beschrieben, wo zukünftig bebaut werden kann, und mit dem Vertrag wird dann die tatsächliche Verwirklichung eines konkreten Bauvorhabens sichergestellt. Die Kategorie ‚Bauerwartungsfläche‘ wird damit überflüssig.


Mit diesem Instrument sind wir doch 20 Jahre zu spät dran.

Das stimmt, aber man kann das Rad nicht zurückdrehen. Auf die schon gewidmeten Bauland-Reserven haben wir mit diesem Instrument keinen Einfluss. Hier kann nur das Land gesetzgeberisch aktiv werden und den nicht genutzten Baugrund für den Eigentümer verteuern. Aber wir können immerhin dafür sorgen, dass die ungenutzten Bauflächen nicht mehr zunehmen. Im Übrigen ist Vorarlberg das letzte österreichische Bundesland, das eine gesetzliche Regelung für eine Vertragsraumordnung getroffen hat. In anderen Bundes¬ländern wird dieses Instrument schon seit vielen Jahren angewendet.



Handhabung der VRO in den Gemeinden

Warum braucht es für die Anwendung der Vertragsraumordnung einen Grundsatzbeschluss?

Ein Grundsatzbeschluss der Gemeindevertretungen setzt nach außen zu den Bürgern ein deutliches Zeichen, dass alle gleich behandelt werden. Das erhöht die Akzeptanz des Instruments in der Öffentlichkeit. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz ist im Übrigen gesetzlich vorgeschrieben, d.h. der Grundsatzbeschluss erhöht auch die Rechtssicherheit der Gemeinde.


Wenn wir nun als Gemeindevertreter einen Grundsatzbeschluss fassen – ...

  • ... welche Möglichkeiten haben wir dann, das Vertragswerk und den Umgang damit zu ändern?

Ein Grundsatzbeschluss heißt zuerst einmal, dass die Gemeinde vorhat, das Instrument nach bestimmten, im Walgau gemeinsam vereinbarten Regeln anzuwenden. In begründeten Ausnahmefällen kann man davon immer abweichen – wenn man einen Grundsatzbeschluss hat, müssen diese Ausnahmefälle aber auch entsprechend gut begründet sein. Und da es sich um einen privatrechtlichen Vertrag handelt, und jeder Vertrag, der mit der Gemeinde abgeschlossen wird, in der Gemeindevertretung beschlossen werden muss, haben die Gemeindevertreter jedes Mal aufs Neue die Möglichkeit, den Vertrag nach ihren Vorstellungen zu gestalten.


Aber wir legen uns mit einem Grundsatzbeschluss doch fest.

  • Wir wissen ja gar nicht, wie der Grundstücksmarkt in Zukunft aussehen wird.

Es ist in einem begrenzten Talraum, der wirtschaftlich gut aufgestellt ist und eine hohe Lebensqualität hat, eher unwahrscheinlich, dass Grund und Boden wieder leichter verfügbar werden. Und im Übrigen sind das die Regeln, die wir uns selber geben. Und auch die Grund-sätze und Kriterien des REK müssen immer wieder mal überarbeitet werden, wenn sich die Verhältnisse ändern. Aber nicht, weil da ein Einzelfall ist, in dem ein Grundbesitzer unbedingt eine Widmung will. Einen einzigen Anlassfall kann man beim besten Willen nicht als ‚geänderte Verhältnisse‘ bezeichnen.


Hat die Gemeinde eine Kaufoption für ein nicht bebautes Grundstück oder ein Vorkaufsrecht?

Das muss im Detail noch ausgearbeitet werden. Möglich ist beides: Mit einer Kaufoption kann die Gemeinde das Grundstück zum Verkehrswert selbst übernehmen und weiter veräußern. Damit können beispielsweise dann Gemeindebürger bevorzugt werden. Ein Vorkaufsrecht der Gemeinde dient vor allem dazu, dass der Antragsteller, wenn er das umgewidmete Grundstück an einen Dritten verkaufen will, die Belastung diesem nicht verschweigen kann; der Käufer ist dann bekannt und bekommt die Vertragsinhalte überbunden, wie es juristisch heißt. Dazu ist es auch sinnvoll, den Raumordnungsvertrag im Grundbuch eintragen zu lassen.



Weitere Details zur Umsetzung der VRO

Wird die Vertragsraumordnung überall einheitlich angewandt?

Ja, die 14 Gemeinden in der Regio Im Walgau sollten sich auf gemeinsame Kriterien einigen, damit alle Walgauerinnen und Walgauer gleich behandelt werden. Derzeit gibt es einen Entwurf, wann die Vertragsraumordnung angewendet werden soll. Kriterien sind beispielsweise, wenn es sich um Flächen handelt, die den bestehenden Siedlungsrand erweitern, wenn die Gemeinde Erschließungskosten investieren muss, wenn es um größere zusammenhängen¬de Flächen geht, oder wenn eine Mindestnutzung sichergestellt werden soll. An diesem Kriterienkatalog wird aber noch gearbeitet. Das Ziel ist, dass in den meisten Fällen die Vertragsraumordnung angewendet wird, um sicherzustellen, dass neu gewidmeter Grund auch zum Bauen genutzt wird, denn es gibt eine sehr große Nachfrage, die befriedigt werden soll.


Kann man das nicht grundsätzlich mit einem einfachen Standardvertrag regeln?

Nein, weil jeder Fall anders gelagert ist. Bei jedem Vertrag muss die Gemeinde begründen, warum er in diesem Fall abgeschlossen werden soll. Maßgeblich sind die raumplanerischen Ziele, die die Gemeinde mit dem Vertrag verfolgt. Denn ein Vertrag ist nur dann zulässig, wenn damit belegbar bestimmte Ziele verfolgt werden, die aus den Planungsunterlagen der Gemeinden (REK, etc.) begründbar sind. Das darf nicht willkürlich oder intransparent scheinen. Der haushälterische Umgang mit Grund und Boden wird dabei vermutlich immer eine Rolle spielen. Aber es sind je nach Grundstücke weitere Überlegungen anzustellen. Das kann im einen Fall um die Erschließung einer zusammenhängenden Fläche gehen und im anderen Fall um einen Fußweg, eine Grünzone oder anderes. Es soll zwar ein einheitliches Vertragsmuster geben, aber dieses soll je nach Einzelfall angepasst werden.


In anderen Bundesländern wird das anders gehandhabt, ...

  • ... beispielsweise in der Steiermark. Dort werden jährliche Strafen auferlegt oder das Land wird zurückgewidmet. Warum geht das bei uns nicht?

Eine Rückwidmung ist rechtlich problematisch und es ist nicht klar, ob ein solches Vorgehen verfassungsrechtlich Bestand hat. Deswegen hat das Land Vorarlberg diese Möglichkeit im Gesetz von vornherein ausgeschlossen.

Strafzahlungen haben zu wenig steuernde Wirkung. Wenn ich für Landwirtschaftsland 10 Euro pro qm bezahle und nachher ist es als Bauland 200 Euro wert, dann kann ich einige Strafen bezahlen und habe immer noch einen Gewinn gemacht. Und das gewidmete Land wird trotzdem nicht bebaut. Im Übrigen ist in der Steiermark auch die entschädigungsfreie Rückwidmung vorgesehen – da ist die Vorarlberger Regelung für den Grundbesitzer großzügiger.


Gibt es auch Fälle, bei denen ein Raumordnungsvertrag für die Gemeinde Probleme bereiten kann?

Probleme gibt es, wenn ein Rechtsanspruch auf eine Widmung besteht, beispielsweise weil die umliegenden Grundstücke alle schon gewidmet sind, aber die Gemeinde mit dem Grund-stück ein konkretes raumordnerisches Anliegen verbindet, welches sie gern gesichert haben will (z.B. Schaffung einer Wegverbindung). Wenn in solchen Fällen kein freiwilliger Vertrag zustande kommt, dann muss dies über eine Änderung des Bebauungsplans geregelt werden.


Gibt es verschiedene Arten von Raumplanungsverträgen? Welche?

  • Es gibt die Verwendungsvereinbarung, das sind Vereinbarungen mit den Grundeigentümern über eine (fristgerechte) widmungsgemäße Verwendung von Bauflächen.
  • Dann gibt es im Raumplanungsgesetz noch die Erwerbsvereinbarung. Das sind Vereinbarungen mit den Grundeigentümern über den Erwerb von Grundstücken durch die Gemeinde oder einen Dritten (Überlassungsverträge), bspw. um für die Deckung des örtlichen Bedarfs an Bauflächen und Flächen, die Zwecken des Gemeinbedarfs dienen, vorzusorgen.
  • Außerdem gibt es noch eine Entwicklungsvereinbarung, wenn in einer öffentlich-privaten Partnerschaft bestimmte Projekte durchgeführt werden sollen.
  • Im hier diskutierten Fall handelt es sich um eine klassische Verwendungsvereinbarung.
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