Eine Suche nach Identität und Geschichtsbewusstsein: Unterschied zwischen den Versionen

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= Industrialisierung im 19. Jahrhundert =
In den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts begann im Walgau ein Industrialisierungsboom: Bis 1850 entstanden hier 16 Betriebe, das waren 22% aller Vorarlberger Industriebetriebe. Die Standorte lagen in Frastanz, Nenzing, Gais, Thüringen und Bürs, ferner Satteins und Schlins. Neben dem Rheintal war der Walgau das wichtigste Vorarlberger Industriezentrum: Bis 1850 waren dies 50% aller mechanischen Webereien, 26% mechanische Spinnereien und 23% Großfärbereien.
Die Industrie wies eine Monostruktur auf und betrieb Textilerzeugung und –bearbeitung. Die Voraussetzungen dafür waren sehr günstig: Es gab genügend Wasserkraft und Arbeitskräfte (Kinder, Jugendliche, Frauen), eine traditionelle Praxis in der bäuerlichen Heimspinnerei- und Weberei, außerdem einheimische Kapitalreserven aus Handel und Textilverlag (Ganahl, Getzner). Die Unternehmer kamen aus wenigen Familien: Aus Vorarlberg stammten Ganahl, Getzner und Graßmayr. Aus dem Ausland stammten Elmer, Schlittler und Escher aus der Schweiz, Kennedy und Douglass aus Großbritannien. Die Arbeitnehmer rekrutierten sich aus der bäuerlichen Unterschicht der Fabriksumgebung - bis 1848 auch aus der Schweiz. Ab 1870 strömte aus dem italienischsprachigen Südtirol „Welschtiroler“ in die Fabriksorte.
(Lit.: Burmeister A. Getzner B. Johler. Mittersteiner. Sutterlütti. Weitensfelder. Welte A C)
== Industriebetriebe im Walgau, 1. Hälfte 19. Jahrhundert - die „Gründerjahre“ ==
Mechanische Webereien:
1834 Getzner Frastanz
1834 Escher-Kennedy-Douglass Thüringen (Douglass besaß 1839 eine der ersten Turbinen in der Monarchie, 1840 die erste Dampfmaschine in Vorarlberg.)
1835 Ganahl Frastanz
Bleichen:
1824 Getzner Frastanz
1836 Ganahl Frastanz
Druckereien
1836 Elmer Satteins
1843 Ganahl Frastanz
Mechanische Spinnereien:
1830 Getzner Nenzing 
1832 Graßmayr Frastanz
1834 Escher-Kennedy-Douglass Thüringen
1834 Ganahl Frastanz
1836 Getzner Bürs
1836 Ganahl,Wohlwend Frastanz
Großfärbereien:
1819 Getzner Frastanz
1831 Müller Bludesch-Gais
1836 Elmer Satteins
In den 40er-Jahren des 19. Jhs. waren ca. 20% der Wohnbevölkerung des Walgaus in der Textilindustrie beschäftigt, hauptsächlich Kinder, Jugendliche und Frauen - in Thüringen gar 70%! Vorarlbergs Männer zogen dagegen Arbeit im Ausland oder gar die Auswanderung vor.
(Lit.:Jussel A. Weitensfelder. Welte C. Schneider)





Version vom 10. Dezember 2013, 18:11 Uhr

Was ist Identität - Wir-Bewusstsein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wir-Bewusstsein? Warum bin ich ein/e „WalgauerIn?“ Der Walgau und seine Sonderstellung in Vorarlberg

Eine Suche nach Identität und Geschichtsbewusstsein

  • Unter Identität versteht man das Zugehörigkeitsgefühl und –wissen eines Individuums und/oder einer sozialen Gruppe zu einer bestimmten kulturhistorischen Gemeinschaft: Staat, Land, Region, Ort.
  • Identitätsstiftend ist die Vorstellung und das Bewusstsein von Unterschied/Andersartigkeit von und zu anderen Individuen/Gruppen/Räumen. Eine große Bedeutung besitzen dabei natur- und kulturgeschichtlich Besonderheiten.
  • Identität vermittelt Sicherheit, Geborgenheit, Orientierung und „Heimatgefühl“ in einer immer mehr globalisierten unübersichtlichen Welt. Sie besitzt das Potential zu sinnvoller rationaler Zusammenarbeit und Selbstbehauptung.



Die Sonderstellung des Walgaus in Vorarlberg – Zusammenfassung

  • Geologische Grenze zwischen Europa und Afrika, West- und Ostalpen
  • Bronze- und eisenzeitlicher Zentralraum
  • Mittelalter

Mittelpunkt rätoromanischer Kultur Wiege des mittelalterlichen Christentums und der Schriftlichkeit Urgeschichtlich-mittelalterlicher Festungs- und Burgenraum Konfliktzone zwischen Schweiz und Habsburg: Kriege

  • Industrielle Pionierzone
  • Ethnokultureller und sozialer Mischraum: Welschtiroler Einwanderer

Zeugen der Eiszeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die letzte Eiszeit, die Würmeiszeit (115.000-10.000), wurde im Walgau durch Niederländer Forscher umfassend untersucht. Das Tal ist überwiegend eiszeitlich geprägt. Es gibt vielfältige Hinweise auf den mächtigen, bis auf 1400 m Höhe reichenden Ill- und die Seitentalgletscher vor allem aus dem Ende der letzten Eiszeit (vor 18-17 tausend Jahren).

zwischeneiszeitliche (Riß-Würm) Konglomerate im Gamperdonatal und in der Bürser Schlucht -> Meng und Alvier

Eisrandsee Gasserplatz -> Göfis

Gletschertopf am Ambergtunnel -> Göfis

Eisrandterrassen Gampelün-Gurtis -> Galina

Hängetäler – Randmoränen – Findlinge

(Lit.: Friebe. Keller B,. Krieg B. Simons. Wanner)



Steinzeit und Bronzezeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Walgau ist das urgeschichtlich am besten erforschte Gebiet Vorarlbergs. Wir kennen etwa 13 prähistorische Fundstellen. Diese stammen aus der bronzezeitlichen Urnenfelderkultur (ca. 1300-800), der frühen Eisenzeit-Hallstattzeit (800-500) und der späten Eisenzeit-Latènezeit (500—30).

Hier lebten nach dem Ende der letzten Eiszeit, schon in der mittleren Steinzeit (6./5. Jahrtausend) mobile Jäger und Sammler.

Seit der Bronzezeit (ab ca. 2000) gab es im Walgau eine Bauernkultur mit Gehöften und kleinen Siedlungen. Da der Talboden ständig überschwemmt wurde und versumpft war, lebten die unbekannten Walgauer „Ureinwohner“ vor allem auf der sonnenreichen Nordseite in Höhensiedlung. Diese dienten in Kriegszeiten auch als Fluchtanlagen. Der Walgau weist somit eine viertausend Jahre lange Siedlungskontinuität bis heute auf.

Die Menschen pflegten Kulte und Religion: Auf der Heidenburg bei Göfis gab es einen bronzezeitlichen und auf dem Scheibenstuhl bei Nenzing einen eisenzeitlichen Brandopferplatz. Das einzige Gräberfeld (Urnenfelderzeit) fand man bei Bludenz.



Räter und Kelten der Eisenzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Walgau war ein bedeutendes inneralpines Verkehrs- und Transitland. Vom Rheintal über Rankweil-Göfis führte ein Weg ins Montafon und nach Tirol - und über den gletscherfreien Rätikon ging es nach Graubünden. Dabei spielte das Gamperdonatal mit seinen Pässen eine große Rolle.

In Bludenz-Unterstein lag ein bedeutender inneralpiner Umschlagplatz für Eisengeräte und Waffen aus der Latènezeit.

In der späten Eisenzeit trafen in Vorarlberg und auch im Walgau zwei Kulturen aufeinander: Von Norden über den Bodensee und das Rheintal kamen die Kelten oder Gallier. Die ansässigen Bauern wurden von den Römern Räter genannt und in die gleichnamige Provinz eingegliedert. Über ihre Herkunft und Sprache gibt es nur Vermutungen. Die Räter bildeten auch unter der römischen Herrschaft bis ins frühe Mittelalter den wichtigsten kulturellen Bevölkerungsanteil. (Lit.: Hild. Krause. Rhomberg/Gamon. Stadler. Schmid. Wischenbarth)

Vorromanisch und Rätoromanisch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Rätoromanische war im Mittelalter die dominante Volkssprache im südlichen Vorarlberg - im Walgau bis zum 14./15. Jahrhundert. Die Stadtgründungen Feldkirch und Bludenz und die Ansiedlung der Walser im 14./15. Jh. führten jedoch zum Erlöschen dieser romanischen Sprache. Alemannisch setzte sich durch.

Der Walgau wurde um Christi Geb. Teil des römischen Reiches -> Keltisch

Er gehörte zur Provinz Rätien. Man sprach rätisch und keltisch -> Rätisch

Das Rätoromanisch entstand aus der lateinischen Verwaltungssprache -> Lateinisch

Die meisten Walgauer Flurnamen sind rätoromanisch

Ortsnamen im Walgau im 9. Jhd.

(Lit.: Wanner/Jäger. Mayr B. Tiefenthaler)

Es gibt auch etliche Gewässer- und Ortsnamen aus der vorrömischen Eisen- bzw. Bronzezeit. Sie weisen auf die lange vorgeschichtliche Besiedlung des Walgaus hin: Gewässer: Ill, Alfenz, Lutz, Samina Ortsnamen: Göfis, Satteins, Röns, Schnifis, Schlins, Bludesch, Ludesch, Nüziders, Bludenz

Christianisierung und frühmittelalterliche Kirchen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Raum um Vinomna (Rankweil) und besonders der Walgau, Teile des „Vallis Drusiana“, waren schon im frühmittelalterlichen Vorarlberg Zentren des rätoromanisch-fränkischen Christentums. Sie gehörten vermutlich seit der Mitte des 6. Jahrhunderts zum Bistum Chur.

Eine verlässliche Anzahl von Sakralbauten (Kirchen bzw. Kapellen) ergibt sich erst aus dem Reichsgüterverzeichnis (Reichsurbar) des Jahres 842/43: Gotteshäuser lagen in Nenzing, Satteins, Schlins, Schnifis (zwei), Bludesch, Thüringen, Ludesch, Bürs und Bludenz. Vermutlich gab es auch Kirchen/Kapellen in Frastanz, Beschling, Göfis und Nüziders. Sie waren ursprünglich überwiegend in kirchlichem Besitz, kamen jedoch im 9. Jh. in das Eigentum weltlicher fränkischer Adeliger. Das Christentum hatte sich somit im 9. Jahrhundert endgültig gegenüber den lokalen und staatsrömischen Götterkulten durchgesetzt.

Zwischen 1982 und 1984 fanden Grabungen unter der heutigen Pfarrkirche St. Mauritius in Nenzing statt. Man konnte insgesamt elf Bauphasen nachweisen, die älteste könnte auf das 5. Jahrhundert zurückgehen. Außerdem entdeckte man fünf Gräber, vermutlich um 600 angelegt. Ob es sich beim ersten Bau um einen christliche Kapelle handelte, ist fraglich: Denn erst unter Kaiser Justinian setzte sich Mitte des 6. Jhs. das Christentum als Staatsreligion durch. Und der irische Mönch Columban stieß 610 in Bregenz auf „heidnische“ Ablehnung. Die erste Anlage könnte auch ein „heidnischer“ Kultbau gewesen sein. Christen errichteten ihre Kirchen häufig auf solchen Vorgängeranlagen.

Der Walgau war als Missionierungs- und Wirtschaftsraum im Norden der rätischen Grafschaft von Interesse. Hier hatten nämlich die Schweizer Klöster Pfäfers, Schänis, Einsiedeln und das Bistum Chur Besitzungen. Die Hauptkirche des Tales war St. Viktor und Markus in Nüziders. Sie stammt spätestens aus dem 9. Jahrhundert und besaß einen königlichen Hof. Nüziders war Hauptort im östlichen Walgau. Diese „Mutterkirche“ umfasste die gesamte Kulturlandschaft von Schlins bis Lech am Arlberg und war beteiligt an der Urbarmachung und Besiedlung des Klostertales im 12. Jahrhundert. (Lit.: Jussel. Rhomberg. Kaltenhauser. Spalt. Ulmer B. Wanner A)

„Walgau“ ist gleich Vorarlberg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Süden Vorarlbergs ab Götzis gehörte im frühen Mittelalter (5.-10. Jh.) zur Grafschaft Churrätien. Dieser Verwaltungsraum wurde als „Vallis Drusiana“ bezeichnet. (Wortdeutung umstritten)

Grafschaft Churrätien- Unterrätien 1.“Vallis Drusiana“ = Vorderland bis Götzis + Walgau + Großes Walsertal, Klostertal, Montafon 2. „In Planis“ (Gebiet um den Walsensee)

Walgau = das Gebiet der Welschen (Romanen), der Churwelschen oder Kauderwelschen, der Rätoromanisch-Sprachigen. Die Bezeichnung „Walgau“ findet sich erstmals 1123, 1249.

In der 1550 in Basel erschienenen „Cosmographia“ heißt es: „Walgow hat nicht von den Alemaniern den Nammen/ sondern von den Rhetiern / die wir Walen nennen / wie auch Walenstatt (…) hat aber den alten Nammen behalten Walgöw …“

Ab dem 13. Jh. kam für „Vallis Drusiana“ die Bezeichnung „Walgau“ auf. Dieser umfasste den Süden Vorarlbergs mit den 5 Herrschaften = das „Land im Walgau. Erst um 1400 bezeichnet „Walgau“ auch die heutige Tallandschaft, vor allem die Grafschaft Blumenegg. „Walgew“ ist bis Anfang des 17. Jhs. die gebräuchliche Bezeichnung für alle „Herrschaften vor dem Arlberg“, auch „Adelberg, Arlenberg“, seit der Mitte des 18. Jh. „Vorarlberg“ genannt.

(Lit. Brunner, Niederstätter E F, Tschaikner A)

Frühes Schrifttum, Wirtschaft und Gesellschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über das Drusental (vallis drusiana) und damit den Walgau besitzen wir aus dem 9. Jh. in Europa einzigartige sozioökonomische Geschichtsquellen (Urkunden):

1. Um 800 das Rönser Reliquienverzeichnis: Die älteste „Urkunde“ Vorarlbergs, ältester Lokalbezug in Österreich 2. Es folgen Urkunden aus dem Laienarchiv des Schultheißen Folcwin zwischen 817 und 825 und 3. schließlich das Besitz-, Einkünfte- und Güterverzeichnis (Urbar) des Reiches von 842/43

Folcwins Amtssitz als Beamter des rätischen Grafen war Vinomna= Rankweil. Sein Zweitwohnsitz war Schlins (Scliene). Zwei geistliche Urkundenschreiber, Drucio und Andreas, kamen vermutlich aus Schlins.


Ritter- und Grafenburgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Walgau weist eine große Burgendichte auf – Minimum acht. Die meisten Anlagen finden sich auf der Tal-Nordseite. Es gab zwei Burgtypen: drei große Grafenburgen und fünf kleine Ritterburgen. Sie entstanden im Hohen Mittelalter (10.-13. Jh.) unter den Montforter und Werdenberger Grafen und ihren Lehensrittern (Ministeriale=Dienstleute) an strategischen Anhöhen.

Die großen Burgen mit durchaus deutschen Namen waren im 13./14. Jahrhundert Ausgangspunkte für die sprachliche Alemannisierung des überwiegend von Rätoromanen besiedelten Walgaus. Im 14./15. Jahrhundert kamen sie an das Haus Habsburg, Welsch-Ramschwag (Nenzing) bereits im Jahr 1360 - es war die erste Habsburger Erwerbung in Vorarlberg. Eine Ausnahme war die Burg Blumenegg: Ab 1417 gehörte sie zum Deutschen Reich und kam erst 1814 an Österreich.

Die Burgen waren seit dem 15. Jahrhundert wiederholten Zerstörungen ausgesetzt. Solche erfolgten erstmals in den Appenzellerkriegen im Jahr 1405 durch rebellische und antihabsburgische Feldkircher und Walgauer Bauern des „Bundes ob dem See“. Es betraf die Burgen Sonnenberg, Jagdberg, Rosenberg (Bürs) und Welsch Ramschwag. Das Aufkommen der Pulvergeschütze um 1500 ließ die Burgfestungen bedeutungslos werden. Der endgültige Verfall der Anlagen geschah im 18. Jahrhundert. Sie dienten auch als Steinbrüche. Walgaus Burgen sind heute allesamt Ruinen.

Grafenburgen: Jagdberg-Schlins, Blumenegg-Thüringerberg, Sonnenberg-Nüziders Ritterburgen: Sigberg-Göfis, Horwa-Satteins, Rosenegg-Bürs, Frastafeders-Frastanz, Ramschwag- Nenzing

(Lit.: Huber, Ulmer A, Niederstätter A, D)


Die verhinderte Walgau-Identität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Politisch und kirchlich aufgeteilt: kein Wirbewusstsein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Montfort-werdenbergische Herrschaften waren Montfort-Jagdberg und Werdenberg-Sonnenberg Die Reichsherrschaften: Blumenegg (1614=Weingarten) und St. Gerold (1648= Einsiedeln) kamen erst 1814 an Österreich.

Habsburgische Erwerbungen: Welsch-Ramschwag 1360 / Jagdberg 1397 / Sonnenberg 1474 / Feldkirch 1377 / Bludenz und Montafon 1494

Ihre Vogteiämter waren bis 1750: Bludenz: Dazu gehörten die Gerichte Sonnenberg, Bludenz und Montafon Feldkirch: Feldkirch, Jagdberg und Rankweil-Sulz (Göfis)

Stände bzw. Gerichte: Jagdberg-Schlins // Sonnenberg-Nüziders // Rankweil-Sulz (Göfis):bis 1806

Bezirkshauptmannschaften seit 1868: Feldkirch: ehemalige Herrschaft Jagdberg, Frastanz ab 1902 Bludenz: ehemalige Herrschaften Sonnenberg und Blumenegg // Bludenz und Montafon

Kirchliche Dekanate: Bludenz-Sonnenberg // Walgau-Großes Walsertal //Feldkirch mit Düns, Frastanz und einst die Herrschaft Jagdberg

(Lit.: Niederstätter A, F)


Zwischen den Fronten der Großmachtpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 14. und 15. Jahrhundert versuchten die Habsburger zwischen ihren Stammgebieten in der Schweiz und den Reichslehen in Ostösterreich eine territoriale Landbrücke herzustellen. Der Walgau spielte in diesem Zusammenhang als Transitland für Handel aber auch für das Militär eine wichtige Rolle. Habsburgische Erwerbungen wurden daher im späten Mittelalter Welsch-Ramschwag 1360 , die Herrschaften Bludenz-Montafon 1394, Jagdberg 1397 und Sonnenberg 1474.

Im Walgau stießen aber auch zwei Ideologien aufeinander: Von Westen kam der Einfluss der nach Freiheit und Selbstständigkeit strebenden Schweizer - Anfang des 15. Jahrhunderts Appenzeller und St. Galler. Und von Osten aus vertraten die Habsburger und süddeutsche Adelige den Feudalismus, die Adelsherrschaft und nach Möglichkeit die Verhinderung der ständisch-politischen Mitsprache von Bürgern und Bauern. Die Repräsentanten ihrer Macht waren in Vorarlberg ihre Verwalter, vor allem die Vögte.

Der Appenzellerkrieg (1405-1408), an dem sich die Ostschweizer mit Feldkirch und den Walgauern verbündeten, war ein Konflikt gegen Habsburg zum Erhalt alter lokaler Privilegien und Erlangung neuer Rechte. Er war eine gewaltsame und rebellische Auflehnung von Bürgern, Bauern aber auch einiger habsburgfeindlicher Adeliger. In diesem Zusammenhang wurden die Burgen Nüziders (1404) und 1405 Jagdberg, Blumenegg, Bürs und Ramschwag, allesamt auf Seiten der Habsburger, zerstört, ohne dass es scheinbar zu Kampfhandlungen kam. Der sogenannte aufrührerische „Bund ob dem See“ hatte vorerst gesiegt, den Adel außer Landes vertrieben. Die beteiligten Walgauer, bestehend aus freien bäuerlichen Grundbesitzern und Leibeigenen, vereinigten sich in Gerichtsgenossenschaften und gaben sich sogar ein eigenes Siegel, Ausdruck von Selbstbewusstsein und einer talumfassenden Identität. Den Walgauern zur Seite stand auch Bischof (1388) und Graf Hartmann von Werdenberg-Vaduz. Er beteiligte seine Untertanen an der Mitregierung im Rechtswesen, gestattete die Ammannwahl und baute die Burg Nüziders wieder auf. Er nannte sie Sonnenberg, und sie wurde sein bevorzugter Ansitz. Was der „Bund“ forderte, waren Volks-Rechte, wie sie erst durch die Aufklärung und die demokratischen Bestrebungen des 19. Jahrhunderts verwirklicht wurden:

Aufhebung der adeligen Standesvorrechte Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit Aufhebung von Frondiensten, Vorspanndienst, Todfallabgabe, Jagdfreiheit Autonomie der Gerichte: hohe und niedere Gerichtsbarkeit Eigene Verfassung Freie Ammann- und Richterwahl Zusammenschluss zersplitterter Gerichtsbezirke

Nach der militärischen Niederlage des „Bundes“ gegen den habsburgtreuen „Schwäbischen Ritterbund“ wurden die Aufständischen jedoch nicht verfolgt, sie behielten ihre Rechte, oder diese wurden gar noch vermehrt. Aber auch der geschwächte Adel und seine Verwaltung blieben an der Macht. Es war eine politische Patstellung, jedoch zugunsten der Entwicklung von mehr Rechten für Bauern und Bürger der Landstände.

(Bilgeri A, Niederstättee E)



Das Massaker von Frastanz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Römisch-Deutsche König und Kaiser Maximilian (1459-1519) versuchte im Deutschen Reich die angeschlagene Macht der Habsburger zu erneuern. Zu diesem Zweck wurde eine Reichssteuer erlassen und ein oberstes Reichsgericht geschaffen. Die Eidgenossenschaft der Schweizer, noch zum Deutschen Reich gehörig, verweigerte jedoch die Neuerungen. Daraufhin versuchte Maximilian mit aggressiven militärischen Mitteln seine Pläne in der Schweiz durchzusetzen. Seine Aktionen fanden auch im Raum Vorarlberg statt, im Rheintal und im Walgau, außerdem im benachbarten Tirol und Graubünden. Der Walgau, strategisch gelegen, wurde wiederholt zum Aufmarsch- und Durchzugsgebiet der verfeindeten Truppen. Von hier aus plante Kaiser Maximilian militärische Unternehmen nach Tirol und ins verfeindete Graubünden. Die meisten seiner Kriegszüge scheiterten jedoch mit Niederlagen.

Eine der schmählichsten und verslustreichsten Niederlagen Maximilians in diesem sogenannten „Schwabenkrieg“ war die Schlacht bei Frastanz am 20. April 1499. Während die Walgauer Milizen, diesmal auf der Seite Habsburgs, hinhaltend kämpften, flüchteten Tiroler Söldner-Knechte. Und die gut gerüstete adelige Reitere griff nicht ein und brachte sich in Sicherheit. Auch die befestigte Stadt Feldkirch hielt sich zurück. Fazit: 1500 Tote der „Kaiserlichen“ und ca. 500 der Walgauer Landwehr.

In einer Chronik hieß es: „… da theten die Walgöwer dapfferen widerstandt und hielten sich dermass, das die Eydtgnossen sagten, sy hetten in allen iren khrigen in hundert Jaren sölchen Widerstandt nie gehebt, dann da waren viel alter erbrer…man mit grauwen haren und bärten, die stunden als die stöckh und werten sich tröstlich…“

Entspricht die Anzahl der 500 Walgauer Kriegsopfer der Realität, dann waren diese im Verhältnis zur Walgauer Bevölkerung riesig: Frastanz hatte zu dieser Zeit ca. 450 und Nenzing 750 Einwohner, der gesamte Walgau mit Bludenz und dem Großen Walsertal zählte nur ca. 2.600 Einwohner. Die Hälfte der wehrfähigen Männer muss somit umgekommen sein. Die sozioökonomischen Folgen können nur erahnt werden. Dazu kam eine den Talbewohnern von den Schweizern auferlegte „Brandschatzungssteuer“ in der Höhe von 8.000 Goldgulden.

Die Kriegszüge endeten am 22. September 1499 mit dem Frieden von Basel, der den Schweizern die Loslösung aus dem Reich, die Souveränität, brachte. Die sogenannte “Erbeinigung“ von 1511 sicherte den gegenseitigen Frieden. Der Rhein im Alpenrheintal wurde für Vorarlberg fortan zur friedlichen Staatsgrenze.

Die unrühmliche Schlacht bei Frastanz lastete auch in den folgenden Jahrhunderten schwer auf dem kollektiven Bewusstsein der Tal-und Landesbewohner. Sie trug zur Entstehung von Legenden bei. Diese versuchten die Schmach der militärischen Niederlage und die Sinnlosigkeit der schrecklichen Todesopfer für eine dem Land aufgezwungene Habsburgerpolitik in Heldenmythen umzuwandeln: Da war der Frastanzer Hirtenknabe, der mit seinem Horn so lange vor den angreifenden Schweizern zu warnen versuchte, bis er vor Erschöpfung starb. Da kämpfte der standhafte und loyale Frastanzer Bertsch, der mit seinen sieben Söhnen zähen Widerstand leistend, den Heldentod starb. Und vor allem gab es den schändlichen Verräter und Spion Uli Mariß aus dem nahen Schaan. Er soll die Schweizer auf geheimen Wegen über das Älpele in den Rücken der Habsburger geführt haben, wodurch es allein zur Niederlage kam. Die untätigen adeligen Reitertruppen und kampfunwilligen Söldner traf somit keine Schuld.

(Lit.: Bilgeri A. Burmeister B. Gamon B. Niederstätter E)


Industrialisierung im 19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts begann im Walgau ein Industrialisierungsboom: Bis 1850 entstanden hier 16 Betriebe, das waren 22% aller Vorarlberger Industriebetriebe. Die Standorte lagen in Frastanz, Nenzing, Gais, Thüringen und Bürs, ferner Satteins und Schlins. Neben dem Rheintal war der Walgau das wichtigste Vorarlberger Industriezentrum: Bis 1850 waren dies 50% aller mechanischen Webereien, 26% mechanische Spinnereien und 23% Großfärbereien.

Die Industrie wies eine Monostruktur auf und betrieb Textilerzeugung und –bearbeitung. Die Voraussetzungen dafür waren sehr günstig: Es gab genügend Wasserkraft und Arbeitskräfte (Kinder, Jugendliche, Frauen), eine traditionelle Praxis in der bäuerlichen Heimspinnerei- und Weberei, außerdem einheimische Kapitalreserven aus Handel und Textilverlag (Ganahl, Getzner). Die Unternehmer kamen aus wenigen Familien: Aus Vorarlberg stammten Ganahl, Getzner und Graßmayr. Aus dem Ausland stammten Elmer, Schlittler und Escher aus der Schweiz, Kennedy und Douglass aus Großbritannien. Die Arbeitnehmer rekrutierten sich aus der bäuerlichen Unterschicht der Fabriksumgebung - bis 1848 auch aus der Schweiz. Ab 1870 strömte aus dem italienischsprachigen Südtirol „Welschtiroler“ in die Fabriksorte.

(Lit.: Burmeister A. Getzner B. Johler. Mittersteiner. Sutterlütti. Weitensfelder. Welte A C)


Industriebetriebe im Walgau, 1. Hälfte 19. Jahrhundert - die „Gründerjahre“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mechanische Webereien: 1834 Getzner Frastanz 1834 Escher-Kennedy-Douglass Thüringen (Douglass besaß 1839 eine der ersten Turbinen in der Monarchie, 1840 die erste Dampfmaschine in Vorarlberg.) 1835 Ganahl Frastanz

Bleichen: 1824 Getzner Frastanz 1836 Ganahl Frastanz

Druckereien 1836 Elmer Satteins 1843 Ganahl Frastanz

Mechanische Spinnereien: 1830 Getzner Nenzing 1832 Graßmayr Frastanz 1834 Escher-Kennedy-Douglass Thüringen 1834 Ganahl Frastanz 1836 Getzner Bürs 1836 Ganahl,Wohlwend Frastanz

Großfärbereien: 1819 Getzner Frastanz 1831 Müller Bludesch-Gais 1836 Elmer Satteins

In den 40er-Jahren des 19. Jhs. waren ca. 20% der Wohnbevölkerung des Walgaus in der Textilindustrie beschäftigt, hauptsächlich Kinder, Jugendliche und Frauen - in Thüringen gar 70%! Vorarlbergs Männer zogen dagegen Arbeit im Ausland oder gar die Auswanderung vor.

(Lit.:Jussel A. Weitensfelder. Welte C. Schneider)



Fussnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]